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Fragen zum Reisen an den Baikal? Im Forum "Abenteuer Reise" antworten die Autoren des Blogs.

Zug Nr. 92IJ - Waggon Lux

Während Regina, Christian und Oliver noch schnell Proviant beschafften, wartete ich mit Johannes und dem Gepäck in der Bahnhofshalle.
Während Regina, Christian und Oliver noch schnell Proviant beschafften, wartete ich mit Johannes und dem Gepäck in der Bahnhofshalle.
30.06.06: Unsere Position auf dem Bahnsteig war gut gewählt. Der Wagen der ersten Klasse - Waggon Lux - hält in unserer Nähe. Die Tür öffnet sich und ein Provodnik, ein männlicher Zugbegleiter steigt aus.

Wir präsentieren ihm unsere Bilets. Obwohl es sich um Fahrkarten handelt, die in Moskau (von Olivers Eisenbahner-Bekannten) beschafft wurden, verwirren sie unseren Provodnik zuerst. Die Platzreservierungen gelten schon ab Moskau (Kasaner Bahnhof), die Fahrkarten als solche sind ab Gorki ausgestellt. Zudem will Oliver gleich noch geklärt sehen, dass er ein ganzes Abteil für sich als "Single" gebucht hat, was den Waggonbegleiter vollends durcheinander bringt. Er blättert zwei Minuten in den Fahrkarten herum (jede von ihnen besteht aus mehreren Blättern) und winkt schließlich ab: "Steigt ein", sagt er zu uns, "Das schau ich mir später in Ruhe an". Und schon schleppen wir unsere Rucksäcke im Gänsemarsch den Gang entlang und belegen unsere Abteile.

Noch während wir uns im Gang umschauen, spricht uns eine Frau an. "Ihr seid doch die anderen Volontäre, ich erkenne es an euren T-Shirts." Das ist also Olga, unsere bisher noch fehlende deutsche Teilnehmerin. Später lernen wir sie beim abendlichen Zusammensitzen noch näher kennen.


Anstelle der oberen Pritsche hängen im Lux-Waggon große Spiegel mit stilisiertem Baikal Motiv an den Wänden - ein Markenzeichen des 92-ger Zuges.
Anstelle der oberen Pritsche hängen im Lux-Waggon große Spiegel mit stilisiertem Baikal Motiv an den Wänden - ein Markenzeichen des 92-ger Zuges.
Ansonsten ist ein Lux-Waggon baugleich mit den Kupejny Schlafwagen, ...
Ansonsten ist ein Lux-Waggon baugleich mit den Kupejny Schlafwagen, ...
...nur plüschiger und eben für nur 2 Personen gibts relativ mehr Platz.
...nur plüschiger und eben für nur 2 Personen gibts relativ mehr Platz.
Unsere Abteile sind eigentlich nicht anders, als die gewöhnlichen "Kupejnye" Abteile. Es fehlt die obere Pritsche. Daher hat man zu zweit auch entsprechend mehr Platz als zu viert und es ist über den Pritschen, die ja zugleich Sitzbänke sind, ausreichend Kopffreiheit. Die Abteile sich auch plüschiger ausgestattet. Anstelle der oberen Pritschen zieren große, ovale, fast viktorianisch wirkende Spiegel die Wände. Sie sind mit stilisierten Baikalmotiven verziert. Dies und einige andere Markenzeichen dieses Zuges, wie zum Beispiel die Gardinen oder auch das Bordsortiment an Mineralwasser machen deutlich: Wir fahren im Zug "Sewerobaikalsk-Moskau-Sewerobaikalsk". Er wird in Sewerobaikalsk eingesetzt und in der Verantwortung der dortigen Eisenbahndirektion betrieben.

Später sitzen wir zusammen und teilen unsere Vorräte. Leider war unsere eilige Einkauftour auf dem Bahnhofsvorplatz von Nischni Nowgorod nicht sehr ergiebig. Dafür schleppt Olga eine riesige Reisetasche nur mit Nahrungsmitteln an. Sie hatte in Moskau einen Zwischenstop bei ihrer Verwandtschaft eingelegt. Dort hatte ihr Schwager, offensichtlich ein Moskauer Neureicher, ihr einen Riesenvorrat an Proviant mitgegeben, wofür sie extra eine neue Reisetasche kaufen mussten. Sogar italienischer Schinken war dabei.

Olga ist russlanddeutscher Abstammung und lebt in Heidelberg, wo sie an einer wissenschaftlichen Stiftung an Themen der Genetik forscht. Sie ist promovierte Biologin. Sie erwies sich als sehr kommunikativ - andere würden es schwatzhaft nennen und dominiert mit ihrer etwas egozentrischen Art häufig die Unterhaltungen in der Gruppe. Oliver wird mich später Fragen ob mir das nicht auch auf die Nerven geht. Nun gut - jeder Mensch hat seine Eigenheiten. Wir werden uns als Gruppe daran messen, wie gut wir miteinander klar kommen werden. Ich nahm mir vor, mir nicht zu schnell ein Urteil zu bilden.

Mit unseren Provodniks, einem Ehepaar, dessen männlichen Part wir bereits kennen gelernt hatten, schlossen wir schon bald Freundschaft - vor allem Olga, die eine Verbundenheit mit Tanja, der Provodnitza entwickelte, da diese auch wolgadeutscher Abstammung war und schnell mit ihr ein Herz und eine Seele war.

Ein Nachmittag in Nishni Nowgorod

30.06.06: Die Bolschaja Pokrowskaja ist die Prominierstraße von Nishni Novgorod. Sie verläuft vom Gorkiplatz bis zum trutzigen Kreml.
Die Bolschaja Pokrowskaja ist die Prominierstraße von Nishni Novgorod. Sie verläuft vom Gorkiplatz bis zum trutzigen Kreml.Historische Gebäude säumen die Prachtstraße und Marina und Sweta erzählen uns Wissenswertes darüber.
Historische Gebäude säumen die Prachtstraße und Marina und Sweta erzählen uns Wissenswertes darüber.Das Theater in Ekaterinischem Klassizismus - dieser Zuckerbäckerstil wird bis heute in Russlands Architektur gern nachempfunden.
Das Theater in Ekaterinischem Klassizismus - dieser Zuckerbäckerstil wird bis heute in Russlands Architektur gern nachempfunden.
Somit beginnt unser Stadtbummel - sozusagen ganz offiziell - am Maxim-Gorki-Denkmal. Natürlich sind sie stolz auf diesen berühmten Sohn der Stadt, dessen Namen sie zu Sowjetzeiten trug. Schließlich ist sein literarisches Werk, auch wenn er von der sowjetischen Kulturpolitik als proletarischer Dichter instrumentalisiert wurde, unumstritten.

Wir schlendern den Gorki-Platz entlang und betreten die Bolschaja Pokrowskaja - eine zentrale Promeniermeile der Stadt. Diese Prachtstraße ist eine Fußgängerzone der Superlative. Mit 1,4 Kilometern Länge ist sie wohl die längste Fußgängerstraße Russlands. Wer hier wuchtige Stalinbauten erwartet, wird angenehm überrascht. Es dominiert Ekaterinischer Klassizismus. Die Straße ist durchaus vergleichbar mit dem Moskauer Arbat. Aber irgendwie ist sie mir symphatischer als der Arbat, was vielleicht an der sommerlich leichten Atmosphäre liegt, oder nur an den nicht vorhandenen Scharen von Nepphändlern - sie wirkt einfach gemütlicher, trotz der Massen, die hier unterwegs sind.

So spazieren wir diese Straße entlang. Von Zeit zu Zeit bleiben wir stehen, fotgrafieren und Sweta oder Marina erzählt uns etwas über das eine oder andere architektonische Highlight oder einfach nur Interessantes über die Stadt.

Nishni Nowgorod ist eine Millionenstadt. Nur Moskau, Sankt Petersburg und Nowosibirsk sind mit Sicherheit größer. Ansonsten konkurriert Nishni Novgorod mit Ekaterinburg um den vierten Platz auf der Liste der größten Städte Russlands. Sweta ist sich sicher: Unsere Stadt ist die viertgrößte Russlands. Laut Wikipedia hat sich aber Ekaterinburg bereits 2006 an Nishni Nowgorod vorbei auf den vierten Platz vorgeschoben, wenn auch nur mit ein paar tausend Einwohnern mehr.

Die Straße ist abwechselnd gesäumt von Bäumen oder von sanierten Altbaufassaden. Unzählige Läden, Kioske und Cafes bieten ihre Dienstleistungen an. Vor einem historischen Gebäude der Universität werden Gemälde feilgeboten.

Damals wie heute: Im inneren des Kreml stehen Kirchen und repräsentative Verwaltungsgebäude. Rechts von uns (nicht im Bild) brennt die ewige Flamme, dahinter bildet die Kremlmauer einen majestätischen Balkon über der Wolga.
Damals wie heute: Im inneren des Kreml stehen Kirchen und repräsentative Verwaltungsgebäude. Rechts von uns (nicht im Bild) brennt die ewige Flamme, dahinter bildet die Kremlmauer einen majestätischen Balkon über der Wolga.Der Kreml wurde einst auf einem Hügel unterhalb der Okamündung angelegt. Hier blickt man Wolgaaufwärts und sieht links hinter dem Kreml die Oka münden.
Der Kreml wurde einst auf einem Hügel unterhalb der Okamündung angelegt. Hier blickt man wolgaaufwärts und sieht links hinter dem Kreml die Oka münden.Das Minin-und-Poscharski-Denkmal in der Altstadt unterhalb des Kreml.
Das Minin-und-Poscharski-Denkmal in der Altstadt unterhalb des Kreml.
In der Ferne, am Ende des Boulevard, bildet einer der Kremltürme den visuellen Abschluß. Gemütlichen Schrittes nähern wir uns ihm. Vorbei an einem historischen Bau der russischen Bank und am Theater im klassizistischen Stil.

Schließlich stehen wir vor dem Kreml. Hier war einst die befestigte Stadtgrenze. Die wehrhaften Gemäuer sollten die Angriffe der Tataren und Mongolen abwehren und das taten sie mit Erfolg. Dieser trutzigste aller Kreml im russischen Großfürstentum hielt den Angriffen der Tataren in den Jahren 1520 und 1536 stand.

Nun steht das Stadttor den Besuchern offen und wir betreten das Innere des Kreml. Rechter Hand steht direkt hinter der Kremlmauer eine Galerie historischen Kriegsgerätes: Panzer, Haubitzen und Ähnliches. Es soll wohl den militärischen Maschinenbau der Stadt symbolisieren.

Wir durchschreiten den Kreml bis zur oberen Begrenzung in Richtung des Flußufers, vorbei an repräsentativen Verwaltungsgebäuden und sakralen Bauten. Hier befindet sich auch die ewige Flamme. Dahinter eröffnet sich ein atemberaubender Blick über die Wolga und die Mündung der Oka zur Linken.

Wir verlassen den Kreml wieder durch eines der landwärtigen Tore und laufen außen an der östlichen Kremlmauer entlang. Hier ist eine recht neue, prachtvolle Freitreppenanlage errichtet worden, über die man zur Wolga hinabsteigen kann. Auch hier verweilen wir und genießen den Ausblick. Dann steigen wir zur Altstadt am Flußufer hinab.

Auch hier sind wir von historischen Gebäuden umgeben. Über uns ragen wehrhaft die Mauern des Kreml auf. Wir kommen zu einem Denkmal, das mir merkwürdig bekannt vorkommt. Es ist das Denkmal für Minin und Poscharski, welches genauso auch in Moskau auf dem Roten Platz steht. Sweta erklärt dazu: Natürlich steht das Original-Denkmal in Moskau, denn Minin und Poscharski sind die Helden der Befreiung Moskaus von der polnisch/litauischen Okkupation im Jahre 1612. Doch Minin und Poscharski sind Söhne Nishni Nowgorods und rückten mit einem Freiwilligenheer aus unserer Stadt gegen Moskau vor. Daher sind sie auch Helden dieser Stadt. Aus diesem Grund hat man hier eine originalgetreue Nachbildung des Moskauer Minin-und-Poscharski-Denkmals errichtet.

Nach diesem Exkurs ist es bereits Zeit zum Bahnhof zurück zu fahren. Von Sweta verabschieden wir uns hier, Marina begleitet uns zum Zug. Mit einem wieder proppevollen Nahverkehrsbus geht's zurück zum Bahnhof, wo wir in aller Eile Proviant beschaffen und die Rucksäcke aus der Gepäckaufbewahrung holen. Den Bahnsteig betreten wir, als unser Zug von Moskau kommend, bereits einrollt.

Vom Goldenen Ring bis an die Wolga

30.06.06: Dies ist der dritte Reisetag. In den frühen Morgenstunden haben wir das Moskauer Umland passiert und rollen nun durch den Goldenen Ring, einen Gürtel aus historischen Städten, oft geprägt von goldenen Kirchenkuppeln und Stadtbefestigungen - sogenannten Kreml - welche einst die Außengrenze der "Moskauer Rus" schützen sollten.

Der Goldene Ring - ein Gürtel alter Städte rund um Moskau - geprägt von alten Holzhäusern einerseits ...
Der Goldene Ring - ein Gürtel alter Städte rund um Moskau - geprägt von alten Holzhäusern einerseits ......und in Gold gedeckten Kirchen und Kreml andererseits, welche einst die Grenze des Moskauer Russ sicherten.
...und in Gold gedeckten Kirchen und Kreml andererseits, welche einst die Grenze der "Moskauer Rus" sicherten.Wladimir, neben Susdal die bekannteste Stadt des Goldenen Ringes.
Wladimir, neben Susdal die bekannteste Stadt des Goldenen Ringes.
Wladimir ist wohl neben Susdal und Sergijew Possad (ehem. Sagorsk) die bekannteste Stadt des Goldenen Ringes. Die russische Bahn widmet Wladimir einen Lokwechsel und hält somit ausreichend lange, um zumindest einige Minuten auf dem Bahnsteig umher schlendern zu können. Der Goldene Ring wirkt auf mich, als sei die Zeit hier stehen geblieben. Vom Moskauer Boom oder einem Aufschwung, wie zum Beispiel in Tjumen durch das Erdöl ist hier nichts zu spüren oder zu sehen. Ich bin aber überzeugt, dass das auch hier kommen wird. Der Goldene Ring hat sowohl touristisches Potential, als auch - durch die Nähe zu Moskau - einen Standortvorteil für die Wirtschaft.

Aber nun ist unser Halt schon wieder zu Ende und wir rollen weiter, vorbei an windschiefen alten Holzhäusern in Richtung Nishni Nowgorod an der Wolga.

Hier sollte es gemäß Olivers Planung wie folgt weiter gehen: In Nishni Novgorod (dem ehemaligen Gorki) steigen wir aus. Unser Anschlusszug geht planmäßig erst am Abend weiter, so dass wir Zeit haben werden für eine Stadtbesichtigung. Auch hierbei hat Oliver vorgeplant und wir werden von Marina, einer Bekannten von Oliver bereits am Bahnhof erwartet.

Marina spricht gut Deutsch. Sie begrüßt uns herzlich und lädt uns zu einer Stadtführung ein. Zuerst bringen wir unsere großen Rucksäcke zur Gepäckaufbewahrung und dann betreten wir den Bahnhofsvorplatz. Bereits hier gibt sich Nishni Novgorod als boomende Stadt. Quirlendes Leben, dichter Verkehr, bunte Kioske, neue Bankgebäude und Reklamen rundherum prägen den ersten Eindruck. Wir kämpfen uns im Kielwasser von Marina zu einer Bushaltestelle durch. Schon bald fahren wir in einem proppevollen Nahverkehrsbus in Richtung Stadtzentrum.

Der Bahnsteig in Wladimir - es scheint, der ganze Zug vertritt sich die Beine.
Der Bahnsteig in Wladimir - es scheint, der ganze Zug vertritt sich die Beine.Nach einer Busfahrt vom Bahnhof in die Innenstadt beginnen wir unseren Stadtrundgang am Gorkiplatz.
Nach einer Busfahrt vom Bahnhof in die Innenstadt beginnen wir unseren Stadtrundgang am Gorkiplatz.Christian und Marina auf dem Gorkiplatz - hier wird noch Swjeta zu uns stoßen.
Christian und Marina auf dem Gorkiplatz - hier wird noch Sweta zu uns stoßen.
Nishni Novgorod liegt an der Stelle, wo die Oka in die Wolga mündet, man kann sagen an der Mündung eines gewaltigen in einen noch gewaltigeren Fluss.

Nishni Nowgorod kennt man als Geburtsstadt des russisch/sowjetischen proletarischen Schriftstellers Maxim Gorki, nach dem die Stadt zu Sowjetzeiten benannt war, aber auch als die Rüstungsschmiede der Sowjetunion, Zentrum des schweren Maschinenbaus und Verbannungsort des Dissidenten Andrej Sacharow. Die Stadt war noch bis vor kurzem für Ausländer gesperrt. Sehr spannend ist aber die Geschichte von Nishni Nowgorod und deren Spuren, auf denen wir die nächsten Stunden wandeln werden.

Wir entsteigen dem Linienbus in der Nähe des Gorkiplatzes. Der Tag ist sonnig und heiß. Die Gerüche der sommerlichen Großstadt sind intensiv. In der Nähe des Fernmeldeamtes steht ein klassisches mobiles Kwasfass. Das habe ich schon lange nicht mehr gesehen! In einer Bank an der Ecke tauschen wir Geld. Dann schlendern wir zwischen Blumenrabatten über den Gorkiplatz bis hin zum Maxim-Gorki-Denkmal, wo wir mit Sweta verabredet sind.

Eine Frau, die sich unserer Gruppe nähert, wird von Oliver herzlich begrüßt. Es ist Sweta. Auch sie spricht sehr gut Deutsch. Sie schließlich auch Deutschlehrerin. Gemeinsam beginnen wir unseren Stadtbummel, bei dem uns Marina und Sweta abwechseln Wissenswertes über die Stadt erzählen.

Belarus - Transit

29.06.06: In den frühen Morgenstunden erreichten wir die Grenze. Der Zug steht eine ganze Weile auf polnischer Seite. Hier steigen auch die weißrussischen Grenzer zu. Die Waggonbegleiterinnen wecken uns Passagiere und bald schon kommen die Kontrollen - erst die Polnische dann die Weißrussische.

Ein Halt in Weißrussland - leider hatte ich es in Brest versäumt, zu fotografieren, obwohl wir dort einen sehr langen Stopp hatten.
Ein Halt in Weißrussland - leider hatte ich es in Brest versäumt, zu fotografieren, obwohl wir dort einen sehr langen Stopp hatten.Minsk - die Hauptstadt Weißrusslands. Ein Blick vom Hauptbahnhof.
Minsk - die Hauptstadt Weißrusslands. Ein Blick vom Hauptbahnhof.Wir verlassen Minsk. In dieser Kurve wird die Länge unseres Zuges deutlich.
Wir verlassen Minsk. In dieser Kurve wird die Länge unseres Zuges deutlich.
Die Weißrussische Kontrolle wird auch stellvertretend für die Russische Föderation durchgeführt. An der Grenze zwischen Belarus und Russland wird es dafür keine Kontrollen mehr geben. Obwohl wir uns also vorerst im Transitland Belarus befinden, haben wir sozusagen auch die Aussengrenze von Russland passiert.

Die Kontrollen haben uns aber nicht wirklich munter werden lassen, so dass wir weiter dämmern, während der Zug zur Umspurung auf die breitere russische Spurweite in Abschnitten abgekoppelt wird und die die Umspurhallen gerollt wird. Hier beobachte ich - bäuchlings auf meiner Pritsche liegend - das Treiben der Bahnarbeiter, während wir mit den Hebebühnen in die Höhe schweben. Dabei nicke ich immer wieder ein. Halb schlummernd erlebte ich die Umspur-Prozedur und das Einrollen in den Bahnhof von Brest. Unser Waggon war dabei vom Rest des Zuges getrennt worden, der ja direkt nach Moskau fahren würde und wir wurden auf ein Abstellgleis am Ostende des Bahnhofs "geparkt". Der Zug nach Kasan sollte erst Stunden später bereitgestellt und unser Waggon dort angekoppelt werden.

Inwischen waren alle wach und hatten ihre Morgentoilette und ihr Frühstück hinter sich - Zeit für einen Spaziergang. Die Provodniza bat uns darum, uns nicht zu weit vom Waggon zu entfernen - er könne auch zwischendurch woanders hin rangiert werden. Warscheinlich hatte sie eher Angst, wir würden die Zeit vergessen oder uns verlaufen. Letzlich respektierten wir ihre Bitte und schlenderten nur in Richtung Bahnhof und zurück, während Oliver eine Menge Fotos machte. Ich hatte (leider) darauf verzichtet, meine Kamera mitzunehmen.

Irgendwann kam eine Rangierlok in unser Abstellgleis gefahren und unser Waggon wurde an den Zug nach Kasan gekoppelt und danach vor dem Brester Bahnhof bereitgestellt. Unser Halt in Brest währte somit über 8 Stunden von 3:05 Uhr bis 11:13 Uhr Osteuropäischer Zeit (davon schliefen oder dösten wir allerdings die ersten Stunden).

Nicht jeder Bahnhof hält Bahnsteige bereit, die lang genug für unseren Zug sind. So steht die Spitze des Zuges bereits außerhalb des Bahnhofs.
Nicht jeder Bahnhof hält Bahnsteige bereit, die lang genug für unseren Zug sind. So steht die Spitze des Zuges bereits außerhalb des Bahnhofs.Johannes hat sich erstmals in Russland verpflegt: Das Eis für sofort, das Bier für nachher.
Johannes hat sich erstmals in Russland verpflegt: Das Eis für sofort, das Bier für nachher.Letzter Halt im Tageslicht in Smolensk.
Letzter Halt im Tageslicht in Smolensk.
Aber dann rollten wir durch Belarus - nunmehr auf breiter russischer Spur und mit dem beruhigenden Wiegen und rhythmischen Stoßen der Drehgestelle.

Dieser Tag zwischen zwei Übernachtungen im "kleinen" umspurfähigen Normalspurwaggon, welcher sich neben den Breitspurwaggons etwas schmächtig ausnahm (vergleiche Foto links oder siehe hier), wurde dieser Tag zum Kennenlernen genutzt. Dies hieß in erster Linie: wir lernen Christian kennen und Christian lernt uns kennen. Natürlich war vor allem Christian der Wissbegierige, da wir anderen vier ja bereits zum zweiten Mal fuhren und für ihn als "Baikal-Neuling" die Erfahrungsträger waren. Aber seine beruflichen Erfahrungen als Ingenieur sollten uns am Baikal noch eine große Unterstützung sein.

Der Halt in Minsk war mir unter den vielen Halts noch gut in Erinnerung geblieben, da ich die Stadt (bzw. die Perspektive vom Zug aus) doch als recht imposant warnahm.

Auf einem der ersten längeren Halts auf russischem Gebiet kamen schließlich unsere ersten Rubel zum Einsatz und wir deckten uns mit frischer Verpflegung ein - von Eis bis Bier, was man so braucht im Zug.

In Smolensk schließlich dämmerte es bereits und wir schlenderten ein letztes Mal für den heutigen Tag über den Bahnsteig. Dann rollten wir in die Nacht und auf das Podmoskowje (Moskauer Umland) zu.

Wieder auf Achse

28.06.06: Neben meiner technischen Projektplanung nahmen auch andere Planungen Gestalt an. Zum einen liefen die Visabeschaffung und Reiseplanung diesmal schon ziemlich routiniert ab. Zum anderen zeichnete sich immer deutlicher die personelle Besetzung unseres Camps ab.

Die Dreierabteile im Schlafwagen hatten wir als Double-Abteile gebucht und jeweils zu zweit belegt.
Die Dreierabteile im Schlafwagen hatten wir als Double-Abteile gebucht und jeweils zu zweit belegt.
Die Reiseplanung und auch die Beschaffung der Zugtickets lag maßgeblich in Olivers Händen. Wir wollten diesmal die gesamte Strecke von Deutschland aus mit dem Zug fahren. Zurück zu sollte es ab Novosibirsk mit dem Flieger bis Hannover gehen.
Dafür hat sich Oliver eine spezielle Variante ausgedacht. Es sollte im Kurswagen Berlin-Kasan bis Nishni Novgorod gehen und nach einem mehrstündigen Aufenthalt von dort aus direkt bis Severobaikalsk.

Der deutschprachige Teil der Truppe bestand neben den Vorjahresteilnehmern Oliver, Johannes, Regina und mir noch aus Christian aus Bischofswerda und Olga aus Heidelberg, die recht spät noch hinzustieß. Sie wollte über Moskau anreisen, so dass wir sie erst in Nishni Novgorod kennen lernen würden. Von den russischen Teilnehmern wussten wir nur, dass einige alte Bekannte wieder mit von der Partie sein würden.

Unser Kurswagen Berlin-Kasan beim Halt in Frankfurt/Oder.
Unser Kurswagen Berlin-Kasan beim Halt in Frankfurt/Oder.Warschau-­Hauptbahnhof - danach fuhren wir in die Abenddämmerung.
Warschau-­Hauptbahnhof - danach fuhren wir in die Abenddämmerung.
So starteten wir also bereits in Verden mit dem Zug. Die erste Etappe begann am Morgen des 28.06.2006 und führte uns nach Berlin. Vom Bahnhof Berlin-Lichtenberg sollte unsere Reise dann richtig losgehen. Am Bahnsteig in Lichtenberg trafen wir dann Oliver und Christian (den wir nun persönlich kennenlernten). Bis zur Abfahrt war noch reichlich Zeit, so dass wir uns noch ordentlich mit Einkäufen eindeckten.

Als schließlich der Zug bereitgestellt wurde, steuerten wir auf den Kazaner Kurswagen zu, der als erster hinter der Lok angekoppelt war. Die Zugbegleiterinnen freuten sich, als sie erfuhren, dass sie schon ab Berlin Fahrgäste haben würden, denn offensichtlich war dieser Waggon eher aus Prestige im Einsatz, obwohl die Nachfrage dafür gering ist. Oliver erklärte es damit, dass Kazan ja die Hauptstadt der Autonomen Republik Tatarstan ist, und solch einen Kurswagen eben haben müsse - gut für uns.

Wir nahmen unsere sehr speziellen Dreier-Abteile in Besitz, die wir (also Oliver für uns) als Double gebucht hatten. Dann rollten wir irgendwann gen Osten.

Beim letzten Halt in Deutschland - in Frankfurt/Oder - kamen Schwager und Schwägerin aus dem Oderbruch noch zum Zug und versorgten uns mit Getränken. Dann gings durch Polen weiter. Hinter Warschau ließen wir die Abendsonne hinter uns und damit schon unseren ersten Reisetag. Regina und ich hatten ein Abteil, Christian und Johannes ein Weiteres und Oliver reiste als "Single" und hatte ein Abteil für sich allein.