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Fragen zum Reisen an den Baikal? Im Forum "Abenteuer Reise" antworten die Autoren des Blogs.

Zwischen Begeisterung und Belastung

15.12.05: So begann ich mit der Erarbeitung eines technischen Projektes. Dabei blieb ich im E-Mail-Kontakt mit Aljona, informierte aber auch ab und zu Oliver und Tom. Meine Zielstellung war folgende:
Im Februar sollte ein Entwurf des technischen Projektes fertig sein und zur Begutachtung und Stellungnahme nach Severobaikalsk geschickt werden.
Im März sollte das technische Projekt mit Detailzeichnungen und Materialliste fertig sein.
Im April sollte ein technologischer Plan mit personeller Ressourcenplanung und Arbeitsmittelbedarf erstellt werden um die benötigten Werkzeuge beschaffen zu können und die Arbeitsabläufe auf zehn Arbeitstage und zehn Arbeitskräfte aufzuteilen.

Einer der Entwürfe für die Brückenkonstruktion - dieser hier kommt dem realen Ergebnis am nächsten.
Einer der Entwürfe für die Brückenkonstruktion - dieser hier kommt dem realen Ergebnis am nächsten.
Während die erste Phase der Projekterstellung planmäßig abgeschlossen wurde, war doch die zeitliche Belastung so groß, dass die zweite Phase sich bereits bis in den Mai verzögerte. Ich stellte fest, dass meine Planung doch zu sehr vom problemlosen Zugang zu deutschen Baumärkten geprägt war. Viele Ansätze waren aus Sicht der Freunde in Severobaikalsk zu teure Edellösungen. So wurde ein Stahlseil besorgt, welches vom Freileitungsbau übrig war und neben selbst gefertigten Beschlägen aus C-Stahl (Respekt!) gab es nur noch Nägel in verschiedenen Größen.

Schließlich entstand das Projektdokument als eine Beschreibung von mehreren alternativen Ausführungsvarianten mit entsprechenden Detailzeichnungen und Anhängen. Zum technologischen Plan kam es nicht mehr. Nur die Werkzeug-Liste schickte ich als profane E-Mail an Aljona. Ich nahm mir vor, die technologische Planung der Arbeiten vor Ort vorzunehmen, was mir noch einigen Stress einbringen sollte.

Ein Projekt wird geplant

30.11.05: Ein Dank an die modernen Kommunikationsmittel! Nachdem die Idee einer Hängebrücke mich immer stärker beschäftigte und wir auf unserem Nachtreffen in Brotterode dieses Thema bereits in den Raum stellten, spürte ich, das mich diese Idee nicht loslassen würde. Mehr noch, sie war bereits zur Vision geworden und nahm die Konturen eines Projektes an. Ich recherchierte im Internet solche Themen, wie „Hängebrücke“, „Brückenbau“, „Statik“ oder „Seiltechnik“. Es gab ja auch den Tipp von Tom Umbreit: „Reich doch Dein eigenes Projekt ein“. Und so nahm ich E-Mail-Kontakt zu Aljona vom GBT in Severobaikalsk auf.

Erinnerung an Khakusy 2005: Das Flüsschen nach dem Regen
Erinnerung an Khakusy 2005: Die Mündung des Flüsschens in der Abendsonne.
Ihre Antwort war herzlich. Sie freute sich, von mir zu hören und fand die Idee von Brückenbau sehr gut. Sie betonte auch, dass unsere russischen Freunde aus dem Camp vom Vorjahr mit Begeisterung wieder mit dabei wären. Gleichzeitig dämpfte sie meine Erwartungen mit folgenden Fakten: Die Camps für das Jahr 2006 seien schon beantragt. Ein neues Projekt einzureichen sei schwierig. Des weiteren wird ein Camp am Frolicha-See nicht möglich sein, da es unüberwindliche Zerwürfnisse mit der Leitung des Naturreservates gäbe. Das war erst mal eine Enttäuschung für mich.

Dennoch entspann sich ein reger E-Mail-Austausch, infolge dessen sich folgende Situation herauskristallisierte:
Ein weiteres Projekt ist grundsätzlich machbar, wenn sich die Gruppe unschwer rekrutieren lässt, ausreichend ausländische Freiwillige teilnehmen und im Vorfeld ein reales technisches Projekt erstellt wird. Das sahen wir als machbar an. Darüber hinaus musste ein Ort gefunden werden, wo dieses Projekt sinnvoll und erwünscht wäre. Hier kommen nun die Verbindungen der Marjasows nach Chakusy zum tragen.

Die Überquerung des angeschwollenen Flüsschens über den glitschigen Stamm war mit vollem Marschgepäck nicht ganz ungefährlich.
Die Überquerung des angeschwollenen Flüsschens über den glitschigen Stamm war mit vollem Marschgepäck nicht ganz ungefährlich. Hier sollte nun nach Aljonas Aussage die Brücke hin.
Aljona schrieb: Ihr kennt den Fluss, um den es geht. Während Eures Ausfluges nach Chakusy im vorjährigen Camp habt ihr ihn auf riskante Weise nach einem Regen mit vollem Gepäck auf einem glitschigen Baumstamm überqueren müssen. Der Fluss ist vielleicht nicht so eindrucksvoll, wie die "untere Frolicha", aber eine Brücke wäre hier von großem Nutzen und wird auch von der Verwaltung des Chakusy-Sanatoriums sehr gewünscht. Meine Eltern haben gute Verbindungen dorthin und haben die Sache mit der Leitung von Chakusy bereits abgesprochen.

Nachdem wir uns also damit abgefunden hatten, dass das Projekt nicht am Frolicha-See verwirklicht werden kann, begannen wir, an dem Gedanken Gefallen zu finden, in direkter Nähe der heißen Quellen von Chakusy die Brücke zu bauen. Die Vorteile lagen auf der Hand: weniger beschwerliche Materialtransporte, Unterstützung durch die Verwaltung von Chakusy, Entspannung in den heißen Quellen und wenn das Wetter uns nicht gewogen sein sollte, Unterschlupf in einer der Blockhütten des Sanatoriums. Alles in allem keine schlechte Sachlage.

Eine Idee reift heran

30.11.05: An das Camp am Ufer der Ajaja-Bucht habe ich die schönsten Erinnerungen. Wir waren eine Truppe in Harmonie, Freundschaft und Ausgelassenheit. Die absolute Nähe zur Natur war grandios. Zurück in Deutschland trug ich die Erinnerung an diese Zeit als ein ständiges Hochgefühl in mir und sah ständig die Landschaften vor mir, die wir hautnah erlebt hatten. Auch die Gesellschaft der ausgelassenen jugendlichen Truppe vermisste ich oft.

Erinnerung an das Camp 2005: Regina und ich am Frolicha-See.
Erinnerung an das Camp 2005: Regina und ich am Frolicha-See.
Der anfängliche Entschluss, diese Reise als ein einmaliges Erlebnis hinter uns zu lassen und im nächsten Jahr etwas völlig anderes zu unternehmen, wich langsam dem Wunsch, doch noch mal an den Baikal zu fahren, am liebsten wieder an die Ajaja.

Dieses Gefühl wurde durch das Nachtreffen des Baikalplan in Brotterode vertieft. Ich erinnerte mich an jenen Tag, an dem Regina und ich zum Frolicha-See gewandert sind, um dort einfach mal ein paar Stunden an Ufern des Sees die Natur zu genießen und die Seele baumeln zu lassen. Am gleichen Tag machten sich Helmut, Oliver und Andrej auf eine etwas ehrgeizigere Tour auf: Sie wollten bis zur unteren Frolicha, dem Ablauf des Frolicha-Sees gehen, diesen überqueren und weiter das Nordufer des Sees entlang wandern.

Der Weg von der Ajaja-Bucht zum Frolicha-See, gabelt sich unmittelbar vor dem westlichen Ende des Sees. Der Pfad der in südlicher Richtung führt, ist gut begehbar und führt in Ufernähe bis zu einer Stelle am See, die sehr gut als Lagerstelle auch für größere Gruppen geeignet ist. Weiter am Südufer entlang verliert sich der Pfad.

Erinnerung an das Camp 2005: Alle packen an.Erinnerung an das Camp 2005: Alle packen an.Erinnerung an das Camp 2005: Ausgelassenhaeit am Lagerfeuer an der Ajaja-Bucht.Erinnerung an das Camp 2005: Ausgelassenhaeit am Lagerfeuer an der Ajaja-Bucht.Das Ende einer Wanderung: Der Frolicha-Fluß - hier müsste eine Brücke hin.
Das Ende einer Wanderung: Der Frolicha-Fluß - hier müsste eine Brücke hin. (Foto: Helmut Uttenthaler)
Oliver, Helmut und Andrej folgten dem nördlichen Zweig. Einige hundert Meter weit ist der Weg noch gut. Wir selbst haben ihn in den vergangenen Tagen hier bis zu einem „Simovje“, einer Rangerschutzhütte gesäubert und begehbar gemacht. Weiter in Richtung Norden jedoch mussten sie sich durch das Unterholz schlagen, denn der Pfad war nur noch zu erahnen. Erlengesträuch und Krüppelzedern wachsen sehr schnell in den lichten Raum, den ein unbenutzter Pfad bietet und versperren ihn kreuzweise, wie die Lanzen einer Palastwache, von umgestürzten Bäumen ganz zu schweigen. Über eine Stunde vergeht, bevor sie auf das steinige Bett des unteren Frolicha-Flusses treffen. Er ist immer noch ein stattliches Wildwasser, obwohl es seit Wochen nicht mehr geregnet hat. Je näher sie dem Fluss kamen, umso klarer wurde: Hier gibt es keine Möglichkeit, leichtfüßig hindurchzuwaten. Daran änderte sich auch nichts, nachdem sie noch ein gehöriges Stück am Fluss entlanggelaufen waren. Andrei testete immer wieder mögliche Watgänge oder Furten. Schließlich passiert es: Bei einem neuerlichen Angriff, den Fluss an einer vermeintlich seichten Stelle zu durchwaten, rutscht er aus und nimmt unfreiwillig ein Vollbad. Der Gaudi ist riesig, aber das Vorhaben wird für gescheitert erklärt. Schließlich müsse man auch auf dem Rückweg den Fluss wieder durchqueren und das wolle man sich auf einer entspannten Tagestour doch nicht antun. So blieben Sie noch ein Weilchen am Fluss und traten dann den Rückweg an.

Dieses Erlebnis kenne ich nur aus den Schilderungen der drei. Aber es machte mir mehrere Dinge klar.
Ersten: Ich selbst habe die „untere Frolicha“ nicht gesehen, was mich etwas traurig stimmt. Aber, was nicht ist, kann ja noch werden.
Und zweitens: Dieses Flüsschen ist eine mehrfache Herausforderung, einmal für jene, die vom Norden her den Baikal entlang wandern und zum anderen für jene, die den Frolicha-See nördlich umwandern wollten. Beides aus Sicht des „Great Baikal Trails“ höchst attraktive Routen. Drittens aber, für mich persönlich: Eine Querung über den Fluss zu schaffen, der Wanderern einen sicheren Übergang ermöglicht und gleichzeitig so reizvoll erscheint wie die Landschaft selbst, in die sie sich einbettet: Eine Hängebrücke.

Neue Pläne im Herbst

5.11.05: Nach unserer Heimkehr dauerte es nicht lange, da kam auch schon wieder die Lust auf Abenteuer auf. Ursprünglich hieß es: Nächstes Jahr machen wir etwas ganz anderes. Aber dann kam die Einladung des Baikalplan zum allherbstlichen Nachtreffen der deutschsprachigen GBT-Camp-Teilnehmer in Brotterode und die Thematik "Baikal" wurde wieder präsent.

Brotterode: Wanderung zum großen Inselsberg (hinter mir läuft Andrej Suknew vom GBT den Weg hinauf)Brotterode: Wanderung zum großen Inselsberg (hinter mir läuft Andrej Suknew vom GBT den Weg hinauf).Brotterode: Viele Teilnehmer aus Deutschland, Österreich der Schweiz und Liechtenstein sind gekommen.Brotterode: Viele Teilnehmer aus Deutschland, Österreich der Schweiz und Liechtenstein sind gekommen.Brotterode: Zum Ende der Wanderung kam sogar die Sonne heraus.
Brotterode: Zum Ende der Wanderung kam sogar die Sonne heraus.
Das Treffen fand in einer Jugendherberge direkt am Rennsteig unterhalb des großen Inselsberges statt. Der Ablauf war von den Baikalplaner wie folgt gedacht:
Freitag (4.Nov'05) war Anreise und zwangloses Zusammensein in Gastwirtschaft.
Samstag nach dem Frühstück sollte eine kleine Wanderung über den großen Inselsberg stattfinden. Am Abend war in der Gastwirtschaft ein Vortrags-Abend geplant, bei dem verschiedene Teilnehmer über ihre Camps berichten konnten.
Am Sonntag war dann die individuelle Abreise geplant.

Wenige Tage vor dem Treffen rief mich Tom an und hatte eine Bitte. Andrej Suknew, der Gründer des GBT sei in Kiel zu einer Schulung und wolle die Gelegenheit nutzen, zum Treffen in Brotterode hinzuzustoßen. Es sei einfacher für ihn, nach Bremen zu kommen und dann mit uns ins Thüringische zu fahren. Das würden wir selbstverständlich machen, versicherten wir Tom und nahmen daraufhin mit Andrej Kontakt auf. Wir klärten, wann sein Zug am Freitag in Bremen eintreffen würde und so holte ich ihn vom Bremer Hauptbahnhof ab.

Zunächst fuhr ich mit ihm in meinem alten Opel Omega zur Avis-Autovermietung um dort eine Miles&More Prämie - ein Mitwagen-Wochende - einzulösen. Ich erhoffte mir davon, diese Fahrt spritsparender und in einem moderneren Auto zu absolvieren. Es war ein Seat Toledo. Wir fuhren daraufhin nach Achim, um Regina abzuholen und gerieten am Bremer Kreuz prompt in einen Stau.

Nachdem wir Regina bei uns zu hause abgeholt hatten ging es dann aber staufrei und zügig über die deutsche Autobahn in Richtung Thüringen. In Brotterode waren wir zwar nicht die Ersten, aber Tom war noch nicht da. Trotzdem konnten wir auch für Andrej die Zimmerfrage klären und so allmählich trudelten weitere Teilnehmer und auch der Baikalplan-Vorstand ein. Der gesellige Abend nahm seinen Lauf. Wir lernten nun endlich auch einige "Berühmtheiten" aus der MDR-Reportage über den GBT kennen, wie z.B. die Familie Walter. Besonders freuten wir uns natürlich über das Wiedersehen mit den Teilnehmern aus unserem Camp, vor allem mit Oliver. Helmut holten wir sogar noch vom Bahnhof mit dem Auto ab.

Damit begann auch schon das Schmieden von Plänen. Diese Ideen begleiteten uns neben den Erinnerungen an unser Camp das ganze Wochenende, an den Abenden und während der Wanderung. Auch Tom bekam unsere aufgekratzten Planspielchen mit und empfahl, doch ein eigenes Projekt einzureichen. Auch Andrej bestärkte uns darin. Allerdings hörte ich bei ihm den Wunsch und die Empfehlung heraus, doch auch mal ein Camp am Südbaikal, von Irkutsk oder Ulan-Ude aus in Betracht zu ziehen.

Wir wollten natürlich wieder zu Ajaja-Bucht. Was wir im Camp 2005 vermissten, war das Errichten von Infrastruktur, wie Brücken oder Rastplätze. Wir hatten im Grunde nur den Trail von Buschwerk befreit und uns durch den Wald gehackt. Daher wünschten wir uns eine mehr schöpferische Aufgabe.

So verging ein sehr erlebnisreiches und aufschlußreiches Wochenende und wir trennten uns mit einem Gefühl von Inspiration und Tatendrang

Ein langer letzter Tag

23.08.05: Die halbe Nacht rollte der Zug bereits durch das Podmoskowje - das Moskauer Umland. Gegen 3:15 haben wir uns selbst auferlegt, aufzustehen. Der Zug soll planmäßig 4:13 auf dem Jaroslawler Bahnhof einrollen und es sieht so aus, als würde er pünktlich sein. Eigentlich ist das nicht anders zu erwarten von der russischen Bahn. So vergeht die Zeit also mit Waschen, Packen und Essen und schon sind wir da.

Obwohl wir Zeit genug hatten, darüber nachzudenken, wie wir vom Bahnhof zum Flughafen kommen wollen, sind wir nun doch unschlüssig, ob wir mit der Metro, oder mit dem Taxi fahren. Die Metro fährt nicht bis Scheremetjewo. Da müsste man noch in einen Bus umsteigen. Mit dem Taxi würden wir wiederum sehr schnell da sein, was die Wartezeit am Flughafen länger werden ließe. Der Flug würde ja erst gegen Mittag gehen.

Wir nehmen sein Angebot schließlich an und quetschen uns samt Gepäck in seinen Wagen.Wir nehmen sein Angebot schließlich an und quetschen uns samt Gepäck in seinen Wagen.Während wir noch im Dunkeln aus dem Bahnhof kamen, dämmerte es jetzt schon. Trotzdem war es verdammt früh und wir näherten uns unserem Ziel sehr schnell.Während wir noch im Dunkeln aus dem Bahnhof kamen, dämmerte es jetzt schon. Trotzdem war es verdammt früh und wir näherten uns unserem Ziel sehr schnell.Die Warterei bestand aus Kurzschlaf und zwischendurch aus dem Kampf gegen Selbigen und kleinen Spaziergängen im Flughafengebäude. Der Warteraum war gut gefüllt.
Die Warterei bestand aus Kurzschlaf und zwischendurch aus dem Kampf gegen Selbigen und kleinen Spaziergängen im Flughafengebäude. Der Warteraum war gut gefüllt.
So stehen wir unschlüssig auf dem Bahnhofsvorplatz herum und werden dabei mehrfach von Privattaxi-Fahrern angesprochen. Einer von ihnen spricht uns ein zweites Mal an und betont, er würde uns zum Tagtarif fahren, was billiger sei, als der (noch geltende) Nachttarif. Er dachte wohl, wir zaudern wegen des Preises. Wir nehmen sein Angebot schließlich an und quetschen uns samt Gepäck in seinen Wagen.

Wir ordern: "Direkt zum Flughafen Scherementewo." Eine Stadtrundfahrt im Taxi hatten wir ja schließlich schon auf der Hinreise gehabt. So fuhren wir durch die menschenleere Stadt. Während wir noch im Dunkeln aus dem Bahnhof kamen, dämmerte es jetzt schon. Trotzdem war es verdammt früh und wir näherten uns unserem Ziel sehr schnell.

Wir kamen am Flughafen zusammen mit den ersten Sonnenstrahlen an, bezahlten den Taxifahrer und betraten den Flughafen. Seit der weltweiten Terrorismushysterie sind auch in Russland einige Sachen verschärft worden (Sie Beitrag über Hinreise - Kazaner Bahnhof). Daher musste man schon durch eine Sicherheitskontrolle, um das Flughafengebäude überhaupt betreten zu können. Dann suchten wir uns ein paar Sitzplatze im Wartebereich vor dem Abflug.

Die Warterei bestand aus Kurzschlaf und zwischendurch aus dem Kampf gegen Selbigen und kleinen Spaziergängen im Flughafengebäude. Der Warteraum war gut gefüllt. Die Stunden vergingen schleppend langsam. Doch irgendwann erschien dann auch unser Flug (Aeroflot nach Berlin) auf dem Tableau. Wir begaben uns schon bald darauf zum Check-In, um die obligatorischen Prozeduren hinter uns zu bringen und im Abflugbereich weiter zu dösen.

Diese Prozeduren waren aber auch langwierig und kamen nur langsam voran, da die Schlange sehr lang war. Gleichzeitig beobachteten wir, wie am Check-In nebenan ein Flug in die USA abgefertigt wurde, wo alles noch verschärfter ablief. Ich glaube, als wir im Abflugbereich ankamen - nach Check-In, Gepäckkontrolle, Passkontrolle, Sicherheits- und Handgepäckkontrolle - war eine weitere Stunde vergangen.

Der Rest lief in gewohnter Weise ab. Im Abflugbereich gab es sogar mehr Shoppingmöglichkeiten. Die Zeit verging schneller und es begann das Boarding. Mit einer kleinen Verspätung ging es in die Luft und nach dem relativ kurzen Flug landeten wir bereit in Berlin. Der Bekannte, bei dem wir unser Auto abgestellt hatten, holte und ab und schon bald befanden wir uns auf der Autobahn in Richtung Bremen - nun ja, es war mittlerweile früher Abend. Als wir ankamen hatten wir wahrlich genug von diesem Tag.

Die Eindrücke der Reise jedoch, würden uns noch lange beschäftigen.

Der letzte Tag im Zug

Johannes und Matze mit Manolis, den sie in Wanderstiefel gesteckt haben.Johannes und Matze mit Manolis, den sie in Wanderstiefel gesteckt haben.Der Zeitplan des Transsib-Zuges 339/340, wie er in jedem Waggon aushängt.Der Zeitplan des Transsib-Zuges 339/340, wie er in jedem Waggon aushängt.
22.08.05: Nadja aus dem Abteil der Jungs ist in Jekaterinburg ausgestiegen. Ihr Platz wurde aber gleich wieder belegt. In der Nacht rollten wir durch den Ural und passierten die Eurasische Grenze. Anders gesagt, wir gingen in Asien zu Bett und erwachten in Europa. Perm, die erste große Stadt im europäischen Teil Russlands verschliefen wir noch. Dann begann unser letzter Tag im Zug.

Auch heute hielt uns Manolis auf Trab. Zum Glück hatte er viele Freunde in verschiedenen Abteilen gefunden, so dass man seine Energie auf mehrere Leute verteilen konnte.

Der Europäische Teil Russland ist anders anzuschauen, als der Sibirische. Es gibt häufiger Dörfer und städtische Siedlungen zu sehen. Die Dörfer wirken traditioneller, die städtischen Siedlungen wirken trostloser als in Sibirien. Es gibt mehr verfallene oder verlassene Industrieanlagen. Ausnahmen bilden größere Städte, bei denen die Randgebiete zwar ebenso trostlos aussahen, aber im Stadtzentrum vermehrt Anzeichen von Wohlstand und Wachstum zu sehen waren.

Der Zeitplan des Zuges 339/340 veranschaulicht recht gut die wichtigsten Haltepunkte. Neben den Namen der Haltepunkte (von Moskau bis Tschita) ist links der Zeitplan für die Richtung Moskau-Tschita und rechts der Zeitplan für die Richtung Tschita-Moskau amgezeigt. Dazu sieht man die Dauer des Halts, wodurch man auch Einkäufe auf dem Bahnsteig einplanen kann. Natürlich ist nicht jeder kleinere Halt auf diesem Plan angezeigt. Man kann auch erkennen, das es im Umfeld größerer Städte längere Abschnitte ohne Halts gibt, da diese Zonen von den Vorstadtbahnen (Elektritschka) abgedeckt werden.

Weiterhin erkennt man auch, dass wir in Moskau in aller Herrgottsfrühe ankommen werden - um 4:13 Uhr. Das wird hart, zumal wir auch einen langen letzten Reisetag vor uns haben werden. Nur gut, dass wir unsere Ankunft nicht verpassen können, da der Zug ja in Moskau endet. Wir versuchten aber, frühzeitig zur Ruhe zu kommen um mit dem Nachtschlaf nicht zu kurz zu kommen.

Manolis und die Monotonie Mittelsibiriens

Die Zugnummer in einem Fenster unseres Waggons.Die Zugnummer in einem Fenster unseres Waggons.Matthias und Johannes schauen aus dem Fenster ihres Abteils.Matthias und Johannes schauen aus dem Fenster ihres Abteils.Omsk erreichten wir am Vormittag und rollten über den Irtysch.
Omsk erreichten wir am Vormittag und rollten über den Irtysch.
21.08.05: Die Erinnerung an diesen Tag ist nicht mehr wirklich abrufbar - ein Nachteil, wenn man nicht zeitnah ein Tagebuch führt. Nach so langer Zeit ist ein stereotyper Tag im Zug im Gedächtnis kaum haften geblieben. Gut, dass Johannes Tagebuch geführt hat und ich die Gelegenheit habe, seine Sicht der Ereignisse zur Auffrischung zu verwenden.

Dennoch kann nicht wirklich von Ereignissen die Rede sein. Aus Johannes Tagebuch entnehme ich, dass er nicht schlafen konnte und sich daher aus dem Abteil in den Gang verdrückt hatte. Nadja (aus seinem Abteil) ging es scheinbar ebenso und so gesellte sie sich hinzu. Trotz des Sprachproblems vertrieben sie sich die Zeit mit Konversation. Nach Mitternacht rollte der Zug in Novosibirsk ein, wo er über eine halbe Stunde hielt. Diesen Halt nutzten sie zu einem Nachtspaziergang auf dem Bahnsteig.

Während der Morgen graute, rollten wir irgendwo zwischen Novosibirsk und Omsk durch die Mittelsibirische Ebene.
Ich musste an die alte sorbische Sage denken, der zufolge einst der liebe Gott mit seinem himmlischen Pferdegespann und einem riesigen Pflug den Lauf der Spree durch die Landschaft zog. Aber am Spreewald angelangt lauerte ihm der Teufel auf und erlaubte sich einen üblen Scherz, indem er die Pferde erschreckte. Diese scheuten und gingen durch. Dabei wurde der Pflug kreuz und quer durch den Spreewald gerissen und nur mit Mühe gelang es dem lieben Gott, die Pferde wieder zu beruhigen und gemächlich weiter nach Norden zu führen. Die unzähligen Furchen und Gräben aber, die der Pflug hinterlassen hatte, füllten sich mit dem Wasser der Spree und bilden heute die Kanäle des Spreewaldes.
Wenn Gott also mit einem gewaltigen Pflug Flussbetten schuf, so musste er hier, in Westsibirien wohl mit einer gewaltigen Maurerkelle die Landschaft hunderte Kilometer weit glattgestrichen haben.

Diese Monotonie außerhalb des Fensters würde uns also den ganzen Tag begleiten.

Manolis

Anders war es innerhalb des Waggons. Denn da hielt uns ein kleiner Junge auf Trab. Er reiste mit seiner Mutter, ich weis nicht mehr, wohin. Manolis war das Kind einer Russin und eines griechischstämmigen Amerikaners. Dieser war aber nicht mit dabei. Manolis Mutter war mit ihrem Söhnchen allein unterwegs - auf Verwandtenbesuch in Russland.
Nun war Manolis ein Energiebündel und hielt alle in Bewegung, mit denen er sich zuvor angefreundet hatte, so auch unser Abteil und das Abteil von Johannes und Matze. Manolis wurde von seiner Mutter Manolik gerufen - sozusagen eine russische Koseform. Manolis kauderwelschte auf Russisch-Englisch-Griechisch durcheinander und war mitunter wegen seines nicht versiegenden Bewegungsdranges auch anstrengend. Zumindest vertrieb er uns an diesem Tag eine Menge Zeit.

Die Landschaft blieb auch hinter Omsk eintönig und würde es bis Tjumen bleiben. Dort würden wir am späten Nachmittag ankommen. Nadja aus dem Abteil der Jungs bereitete sich auch schon vor, auszusteigen und packte einiges zusammen. Ihr Ziel war Jekaterinburg an der Ostseite des Ural, welches wir nach Moskauer Zeit am späten Abend, aber nach Ortszeit erst gegen Mitternacht errreichen würden.

Ostsibirien adé

In den gestreckten Kurven durch die Taigalandschaft offenbart sich beim Blick aus dem Fenster die Länge des Zuges.In den gestreckten Kurven durch die Taigalandschaft offenbart sich beim Blick aus dem Fenster die Länge des Zuges.Irgendwann überquerten wir den Jennisej, den wasserreichsten Sibirischen Strom und rollten in Krasnojarsk ein.Irgendwann überquerten wir den Jennisej, den wasserreichsten Sibirischen Strom und rollten in Krasnojarsk ein.Ein typischer Bahnübergang, der den Stellenwert einer Verkehrsader, wie der Transsib verdeutlicht: Auch der gottverlassenste Bahnübergang ist beschrankt und meist mit einer Straßenbarriere versehen.
Ein typischer Bahnübergang, der den Stellenwert einer Verkehrsader, wie der Transsib verdeutlicht: Auch der gottverlassenste Bahnübergang ist beschrankt und meist mit einer Straßenbarriere versehen.
20.08.05: Nach der ersten Nacht im Zug begann unser zweiter Tag der Bahnfahrt nach Moskau. Noch immer rollt der Zug durch die westlichen Ausläufer des Sajan. Es ist der Zug 339-340 Tschita-Moskau-Tschita. Trotz seiner relativ hohen Nummer (je höher die Nummer, desto niedriger das Prestige) hat er den Charme eines typischen Transsib-Fernzuges. Es gibt außer den Liegewagen genügend Schlafwagen (Kupé) einen 1.-Klasse-Waggon (Ljuks) und einen Speisewagen. Auch die einheitliche Farbgebung der Wagen zeigt: "Ich bin ein schnuggeliger Fernzug." In den gestreckten Kurven durch die Taigalandschaft offenbart sich beim Blick aus dem Fenster die Länge des Zuges.

Ansonsten ist es typischer Tag im Zug. Es gibt nicht viel zu tun, außer relaxen, Landschaften gucken, relaxen, essen, relaxen.

Johannes und Matthias spielten Karten mit ihren Abteil-Genossen Sergej und Nadja. Sergej war ansonsten mit Fisch essen und Bier trinken beschäftigt. Nadja versuchte sich mit den Jungs zu verständigen und schrieb Johannes sogar eine Widmung ins Tagebuch, die ich mal wie folgt übersetze:
"Nie werde ich die Worte Kartoschka (Kartoffel), Suslik (Zieselmaus) und Burunduk (Streifenhörnchen) vergessen, wie Du sie aussprachst."

Die Mitreisenden unseres Abteils kamen mit uns ebenfalls ins Gepräch. Die ältere Dame arbeitete bei der Miliz in Tschita. Das Gothic-Girl war auch aus Tschita und fuhr zum Studium nach Sankt Petersburg.

Irgendwann überquerten wir den Jennisej, den wasserreichsten Sibirischen Strom und rollten in Krasnojarsk ein.

Händler gab es hier nicht so viele, aber Kioske direkt auf dem Bahnsteig, wo wir natürlich wieder einiges einkauften.

Dann ging es weiter und wurde zunehmend flacher. Wir rollten langsam in die zentralsibirische Tiefeben ein. Gleichzeitig rollten wir in den Abend und in die nächste Nacht, während die Sonne uns im Westen hinter den Horizont davon eilte und die Landschaft in der Dämmerung verschwamm.

Abreise aus Irkutsk

19.08.05 8:00 Uhr: Wieder haben wir eine komfortable Nacht verbracht. Heute geht unser Zug nach Moskau. Er geht nach Moskauer Zeit am späten Vormittag, aber wir kennen das schon. Nach Ortszeit ist dies natürlich erst am Nachmittag. Dennoch hatten wir die Hotelmanagerin gebeten, dies nochmals zu erkunden. Nach einem Telefonat mit dem Bahnhof bestätigte sie dies.

Kleine Reparaturen an einer Sandale und einem Rucksack für ein paar Rubel bei einem chinesischen Flickschuster.
Kleine Reparaturen an einer Sandale und einem Rucksack für ein paar Rubel bei einem chinesischen Flickschuster.
Die späteste Zeit zum Aus-checken für das Hotel war 12:00 Uhr. Wir waren aber schon früher soweit - schon deshalb, weil das Frühstücksbuffet früher schloss. In der Lobby standen jede Menge Koffer. Eine Touristengruppe aus Hamburg sei eingetroffen, sagte man uns. Auch wenn wir noch jede Menge Zeit hatten, beschlossen wir, in die Stadt zu fahren. Die großen Rucksäcke würden wir schon irgendwie mitschleppen.

Mit der Straßenbahn war das alles kein Problem. Wie schon erwähnt zahlten wir 5 Rubel pro Nase und pro Rucksack - Peenuts. Wir stiegen wieder beim Rynok aus mit dem Vorsatz, ein Plätzchen zu suchen, wo man im Schatten sitzen konnte und immer jemand bei den Rucksäcken aufpasst, wären ein Teil der Truppe sich zeitweilig entfernen konnte.

Auf der Suche nach einer schattigen Bank kamen wir an verschiedenen Straßenhändlern vorbei, darunter viele Chinesen. Es waren auch Flickschuster dabei, die ihre Dienste direkt auf dem Bürgersteig anboten. Da kam uns die Idee, einige Sachen in Ordnung bringen zu lassen, ein abgerissener Sandalenriemen und ein Kompressionsgurt an einem der Rucksäcke, der kurz davor war, vollends auszureißen. Der Schuster erledigte das schnell und zuverlässig und verlangte sehr wenig, ich glaube 5 Rubel für den Rucksack und 20 Rubel für die Sandale.

Wir stiegen in die Straßenbahnlinie 1 und fuhren direkt vor's Bahnhofsgebäude.Wir stiegen in die Straßenbahnlinie 1 und fuhren direkt vor's Bahnhofsgebäude.Der Warteraum war durchaus angenehm, wenn auch gut besucht.Der Warteraum war durchaus angenehm, wenn auch gut besucht.An den Kiosken am Bahnhofsvorplatz deckten wir uns noch mit Reiseproviant ein.
An den Kiosken am Bahnhofsvorplatz deckten wir uns noch mit Reiseproviant ein.
Auf der Rückseite des großen Handelsgebäudes fanden wir dann auch eine Bank, die halbwegs im Schatten war und ließen uns nieder. Man saß dort ganz gut, nur wurde man ständig von Bettlern angesprochen. Die Jungs machten sich als ersten auf zum Internetcafe, wo sie recht lange blieben.

Ich stellte fest, dass die Bettler nach einer bestimmten Zeit wiederkehrten, als würden sie regelmäßige Runden machen. Aber nachdem ich einigen was gab, bemerkte ich auch, dass sie mich bei ihren wiederholten Rundgängen nicht mehr ansprachen, sondern nur noch auf andere Leute zugingen.

Nachdem die Jungs zurück waren, machten Regina und ich eine kleine Runde und brachten von irgendwelchen Ständen Getränke und heisse Tschebureki (Teigtaschen mit Fleisch) mit. Sie waren echt lecker und sagten allen zu. Außerdem kaufte Regina noch irgend ein Kraut, was als Tee gekocht wohltuend und heilend sein sollte.

Irgendwann entschlossen wir uns, zum Bahnhof zu fahren und den Rest der Zeit dort zu warten. Wir stiegen in die Straßenbahnlinie 1 und fuhren direkt vor's Bahnhofsgebäude. Die Sonne hatte den Zenit zwar schon überschritten, aber der Nachmittag war erst richtig drückend geworden. So gingen wir zuerst in den Schatten des Bahnsteiges 1. Dort wurden wir aber von Milizionären freundlich, aber bestimmt aufgefordert, wieder zu gehen. Der Aufenthalt auf den Bahnsteigen sei nur vor der Einfahrt des Zuges und während des Halts statthaft. Man habe im Bahnhofsgebäude Warteräume. Also begaben wir uns in einen solchen. Bis zur Zugabfahrt waren es noch etwa 2 Stunden.

Der Warteraum war durchaus angenehm, wenn auch gut besucht. Man musste nur ab und zu in eine andere Halle laufen, um zu sehen, ob der Bahnsteig unseres Zuges schon ausgeschrieben war. Diese werden in Russland üblicherweise erst kurz vor Einfahrt oder Bereitstellung der Züge bekanntgegeben.

An den Kiosken am Bahnhofsvorplatz deckten wir uns noch mit Reiseproviant ein. Eigentlich keine zwingende Notwendigkeit, da man sich während der Fahrt immer verpflegen kann, auf vielfältigste Weise. Aber bei Getränken sollte man bei der Hitze schon einen Vorrat haben.

Irgendwann wars soweit. Der Zug wurde angekündigt und der Bahnsteig bekanntgegeben. Die Massen setzten sich in Bewegung. Es war der Zug Nr. 339-340 Tschita-Moskau. Wir waren doppelt gespannt - einmal, ob man in einem Zug mit so hoher Nummer (wo ausländische Touristen viel seltener mitfahren) unser Eurodomino-Ticket anstandslos akzeptieren wird und zum Zweiten, wie wir platziert werden, da auf unseren Tickets keine festen Plätze angegeben waren (siehe auch Beitrag zum Ticket-Kauf).

Aber es lief alles problemlos, wenn gleich auch hier wieder unsere Tickets Neugier und Fragen aufwarfen und zwischen den Prowodnitsas herumgereicht wurden. Mit den Plätzen hatten wir das Pech, auf zwei verschiedene Abteile aufgeteilt zu werden, was sich aber im Nachhinein nicht als so schlimm herausstellte. Wir waren mit Regina in einem Abteil, wo bereits eine ältere Dame und eine Studentin im Gothic-Look waren. Johannes und Matze kamen in ein Abteil mit einem jungen blonden Mädchen und einem anfänglich etwas brummeligen Bisnesmen (businessman). Man hatte den Eindruck, er hatte Hoffnung auf einen romantischen Abend allein mit der Blondine im Abteil. Aber er taute irgendwann auch auf. Gewohnheitsgemäß merken wir kaum, wie der Zug sich in Bewegung setzte, während wir damit beschäftigt waren, uns einzurichten.

So rollten wir wieder mal in den Abend und irgendwann in die Nacht, diesmal der untergehenden Sonne hinterher. Wir machten es uns recht bald bequem und unterhielten uns noch ein wenig mit unseren Mitreisenden, während Johannes und Matthias noch mal zum Speisewagen tigerten um Bier zu holen: Durch insgesamt 35 Schiebetüren, die sie gezählt hatten.

Ein Tag in Irkutsk

18.08.05 8:00 Uhr: Nach der Nacht im Hotel gab es ein hoteltypisches Frühstück vom Frühstücksbuffet. Man spürte, dass das Hotel relativ neu war und bemüht, sich zu etablieren. Alle waren zuvorkommend und höflich. Die Hotelmanagerin beantwortete uns geduldig unsere Fragen: Wo kann man Geld tauschen?, Wie kommt man am besten ins Stadtzentrum?... und so weiter.

In der Nähe des Marktes (Rynok) stiegen wir aus. Die Irkutsker Innenstadt war geprägt von einem Mix aus alten sibirischen Holzhäusern und moderneren Neubauten.In der Nähe des Marktes (Rynok) stiegen wir aus. Die Irkutsker Innenstadt war geprägt von einem Mix aus alten sibirischen Holzhäusern und moderneren Neubauten.Die Reihen der alten Holzhäuser vor dem Rynok waren in ihrer Vielfalt und Anzahl sehr beeindruckend, auch wenn so manches Häuschen in erbärmlichem Zustand war.Die Reihen der alten Holzhäuser vor dem Rynok waren in ihrer Vielfalt und Anzahl sehr beeindruckend, auch wenn so manches Häuschen in erbärmlichem Zustand war.Vor den Stufen zur Aussichtsterasse an der Angara mit einer russisch-orthodoxen Kirche im Hintergrund.
Vor den Stufen zur Aussichtsterasse an der Angara mit einer russisch-orthodoxen Kirche im Hintergrund.
Geld tauschten wir schließlich in dem Außenhandelszentrum nebenan, wo es auch eine Bankfiliale gab. Dann ging es in die Stadt, und zwar mit der Straßenbahn. Die Verbindung war perfekt. Die Linie 3 hatte ihre Endhaltestelle direkt vor dem Hotel und führte ins Stadtzentrum vor den Zentralmarkt. Beeindruckend waren die Preise, 5 Rubel pro Person, was so etwa 20 Euro-Cent entsprach. Ein großer Rucksack kam allerdings 5 Rubel extra. Aber noch beeindruckender waren die Strafen fürs Schwarzfahren: 25 Rubel, also noch nicht einmal ein Euro - ein Witz.

In der Nähe des Marktes (Rynok) stiegen wir aus. Die Irkutsker Innenstadt war geprägt von einem Mix aus alten sibirischen Holzhäusern und moderneren Neubauten.

Wir schlenderten durchs Zentrum und versuchten, so etwas, wie den zentralen Platz zu finden. Die alten Holzhäuser vor dem Rynok waren in ihrer Vielfalt und Anzahl sehr beeindruckend, auch wenn so manches von ihnen in erbärmlichem Zustand war. Das Viertel mit den Holzhäusern wurde hinter dem Rynok von einem großen Kaufhauskomplex abgelöst. Dahinter begann eine Fußgängerzone mit buntem, geschäftigem Treiben. Hier gab es auch teurere Läden, Cafes und Restaurants und andere private Häuser. Sie waren aus Stein, aber offensichtlich historische Substanz und gut restauriert.

Hinter der Fussgängerzone begannen noch repräsentativere Bauten. Viele davon waren Verwaltungen, oder Banken. Ein Internetcafe fanden wir hier auch. Dann kam ein gestreckter Platz, de sich als Forum bis zum Ufer der Angara erstreckte. Hier waren die regionalen und städtischen Verwaltungssitze. Der Platz war durch Bänke und Grünanlagen aufgelockert, aber dennoch steriler und weniger belebt, als die Gegend von Rynok und Fussgängerzone. Dennoch empfand ich dies nach dem Trubel zuvor als wohltuend. Da die Mittagshitze aufstieg und sich zwischen den Steinfassaden auflud, kauften wir uns ein Eis und relaxten am Rand eines Springbrunnens.

Hier verweilten wir ein ein wenig und schauten von der Terasse über die Angara, wo wir Angler in ihrem Boot beobachteten.Hier verweilten wir ein ein wenig und schauten von der Terasse über die Angara, wo wir Angler in ihrem Boot beobachteten.Schließlich liefen wir vorbei an den Kirchen wieder in Richtung des Geschäftsviertels.Schließlich liefen wir vorbei an den Kirchen wieder in Richtung des Geschäftsviertels.Wir schlenderten über die Fußgängerzone zurück zum Rynok. Hier begegnete uns sogar eine wandelnde Hotdog-Werbung und im Hintergrund ist das Markthallengebäude zu sehen.
Wir schlenderten über die Fußgängerzone zurück zum Rynok. Hier begegnete uns sogar eine wandelnde Hotdog-Werbung und im Hintergrund ist das Markthallengebäude zu sehen.
Dann schlenderten wir zur Angara, vorbei an einigen russisch-orthodoxen Kirchen und der ewigen Flamme zu Ehren der Gefallenen des Großen Vaterländischen Krieges (wie man in Russland der 2. Weltkrieg nennt).

Hier verweilten wir ein ein wenig und schauten von der Terasse über die Angara, wo wir Angler in ihrem Boot beobachteten.

Am anderen Flussufer wurden die Siedlungsformen wieder ländlicher und man sah in den entfernten Hügeln die Stadtgrenze.

Schließlich liefen wir vorbei an den Kirchen wieder in Richtung des Geschäftsviertels. Auf der Freitreppe einer Kirche standen einige ärmlich gekleidete Menschen. Es waren Bettler, die in der Nähe der Kirche auf eine erhöhte Mildtätigkeit der Passanten hofften. Ich gab einigen etwas Kleingeld. Dann liefen wir weiter.

Im Geschäftviertel ließen wir uns schließlich in einem Straßencafe nieder und bestellten Schaschlyk und Becks-Bier. Das war unser Mittagessen - sehr entspannt, fast Bayrisch-Bierzeltmäßig unter großen Sonnenschirmen. Wir verweilten hier recht lange, bis die Jungs zu drängen begannen, man müsse ja nochmal ins Internetcafe.

Also liefen wir den Weg weiter in Richtung Rynok und verbrachten eine weiter Stunde (oder mehr?) im Internetcafe. Auch dieses war (wie auch in Sewerobaikalsk) kein Cafe, sondern eher ein Terminal-Saal - aber ebenfalls extrem preiswert. Hier konnte man auch ein Gefühl dafür bekommen, wie viele ausländische Backpacker doch in Irkutsk so rumlaufen.

Damit war es auch schon wieder Nachmittag und wir schlenderten über die Fußgängerzone zurück zum Rynok. Hier begegnete uns sogar eine wandelnde Hotdog-Werbung. Insgesamt hatte man den Eindruck von mannigfaltigem und prosperierendem Kleingewerbe.

Irgendwann gings mit der Straßenbahn wieder zurück zum Hotel, wo wir den Tag ausklingen ließen. Am nächsten Tag würden wir die Stadt verlassen, wenn auch erst am späten Nachmittag. Nochmals löcherten wir die Hotelmanagerin mit verschiedensten Fragen und bezahlten auch gleich die Hotelrechnung.

Baikal-Epilog: Olchon-Irkutsk

17.08.05 13:00 Uhr: Nachdem das Boot ins Maloje Morje einglaufen ist, sollte es noch fast zwei Stunden dauern, bis es am Südende der hundert Kilometer langen Insel anlegen würde. Nun befand sich der Blick auf die Küste Olchons backbords - eine Steppenlandschaft über der schroffen, felsigen Küste. Gleichzeitig entfernten wir uns etwas von der Westküste mit ihren teilweise bewaldeten Berghängen.

Die Westküste am Nordende des Maloje Morje (kleines Meer) - westlich von Olchon.Die Westküste am Nordende des Maloje Morje (kleines Meer) - westlich von Olchon.Eine von mehreren kleinen bizarren Fels-Eilanden, die der Westküste vorgelagert waren.Eine von mehreren kleinen bizarren Fels-Eilanden, die der Westküste vorgelagert waren.Eine eigentümliche Anlegestelle auf Olchon - ein alter, auf Grund gesetzter Lastkahn, wo Helmut und seine Weggefährten an Land gingen.
Eine eigentümliche Anlegestelle auf Olchon - ein alter, auf Grund gesetzter Lastkahn, wo Helmut und seine Weggefährten an Land gingen.
Im Gegensatz zum Nordbaikal war hier schon "etwas mehr" los. Man sah ab und zu andere Boote und trotz des Überflusses an wilden Landschaften schienen die besiedelten Stellen häufiger zu werden. Wir passierten einige kleine bizarre Fels-Eilande, die der Küste im Westen vorgelagert waren.

So glitten wir an der Steppenlandschaft Olchons dahin, bis am südlichen Ende eine merkwürdige Anlegestelle in Sicht kam. Es war ein altes Frachtschiff, welches am Ufer auf Grund gesetzt wurde. Der alte Rumpf war kurzerhand in ein Pier umgewandelt worden, welches die Kometa nun ansteuerte. Das war das Ziel für Helmut und seine neuen Weggefährten. Sie wollten einige Tage auf Olchon verbringen, bevor sie sich auf den Weg machen würden, um über Irkutsk, Ulan-Ude und die Transmongolische Eisenbahn nach China zu fahren.

Hier gingen sie an Land, nachdem wir uns herzlich von einander verabschiedet hatten. Ihnen stand nach einigen besinnlichen Tagen auf Olchon ja noch eine gewaltige Weltreise bevor. Helmut hat seinen Olchon-Aufenthalt, aber auch die ganze Tour in seinem Eurasia-Blog beschrieben und vor allem reichlich bebildert.

Schon bald ging es weiter und die Kometa durchfuhr die engste Stelle zwischen dem Südende Olchons und der Westküste, wo eine Autofähre die Insel mit dem Festland verbindet. Dann ging es wieder auf den offenen Baikal hinaus. Das nächste Ziel würde Port Baikal sein. Wie wir zwischenzeitlich erfahren hatten, würden wir dort auf ein kleineres Tragflächenboot umsteigen müssen. Aus welchen Gründen auch immer fuhr die große Kometa nicht direkt bis Irkutsk.

Am Pier in Port Baikal. Hier stiegen wir auf ein kleineres Tragflächenboot nach Irkutsk um.Am Pier in Port Baikal. Hier stiegen wir auf ein kleineres Tragflächenboot nach Irkutsk um.Der Schamanenstein (im Wasser vor dem großen Gebäude) ist kaum zu erkennen. Der Legende nach schleuderte der Vater Baikal diesen Felsbrocken seiner Tochter Angara hinterher, als diese ihn für den Recken Jenissej verließ.Der Schamanenstein (im Wasser vor dem großen Gebäude) ist kaum zu erkennen. Der Legende nach schleuderte der Vater Baikal diesen Felsbrocken seiner Tochter Angara hinterher, als diese ihn für den Recken Jenissej verließ.Die beiden Tragflächenboote lieferten sich ein Rennen und im Hintergrund entschwand der Baikal.
Die beiden Tragflächenboote lieferten sich ein Rennen und im Hintergrund entschwand der Baikal.
Irgendwann kam Listwianka in Sicht und man konnte den Angara-Abfluss erkennen. Dann liefen wir in Port Baikal ein, wo es hieß: Aussteigen. Zur Weiterfahrt standen gleich zwei kleinere Tragflächenboote bereit, in welche die Reisenden aus der Kometa einstiegen, aber auch einige Tagestouristen aus Port Baikal. Dann ging es los, vorbei an Listwianka in den Lauf der Angara hinein. Am Schamananstein, den man kaum ausmachen konnte, trieben einige kleinere Boote. Dann ging es in schneller Fahrt nach Irkutsk, wobei sich die beiden Tragflächenboote ein Rennen mit wechselnder Führung lieferten.

In Irkutsk kamen wir recht bald an - am Passagierhafen oberhalb der Angarastaumauer. Oliver und Franziska wurden vom Shuttleservice ihres Hotels abgeholt. Wir hatten es nicht so komfortabel und suchten uns ein Marschroutentaxi ins Stadtzentrum.

Über das Internet (im Internetcafe in Sewerobaikalsk) hatte ich für uns verbliebene vier Leute ein Hostel gebucht, welches in Bahnhofsnähe lag. Wir fanden es auch recht schnell und klingelten an der Tür. Keine Reaktion. Wir drückten uns eine geschlagene Stunde vor dem Haus rum, klingelten immer wieder und befragten Anwohner, ob irgend jemand etwas wüsste. Alles Fehlanzeige, keiner konnte was sagen, keiner wusste etwas. Schließlich resümierten wir, dass das Hostel wohl nicht mehr existiert und dies auf der Internetseite von Hostelworld nocht nicht bekannt war und so liefen wir zum Taxistand am Bahnhof hinunter. Dort bestiegen wir ein Taxi mit der Order zu einer weiteren Hosteladresse zu fahren (dem Angara-Hostel).

Der Passagierhafen von Irkutsk kommt in Sicht. Er liegt oberhalb der Angara-Staumauer.
Der Passagierhafen von Irkutsk kommt in Sicht. Er liegt oberhalb der Angara-Staumauer.
Dort angekommen sah es wieder recht suspekt aus und ich bat den Taxifahrer, zu warten. Es dämmerte bereits und wir wurden unruhig. Aber auch hier wurde uns gesagt, dass das Hostel hier nicht mehr existiere. Nun gab ich dem Taxifahrer die Order, uns zu einem Hotel zu fahren - am Besten nicht zu teuer und nicht zu billig.
Er schlug vor "Hotel Profsojusnaja" (Hotel der Gewerkschaften). Der Vorteil sei, dass in der Nähe noch weitere Hotels zum Ausweichen seien. Also fuhren wir dahin.

Es lag in der Nähe des Flughafens. Auch dort wurden wir enttäuscht. Alles ausgebucht. Also wandte ich mich ans nächste Haus am Platz. Neben einem protzigen Kongresszentrum mit Hotel gab es ein Hotel "Solnyshonik" (Kleine Sonne, oder Sönnchen). Dieses Hotel war in der oberen Etage eines Verwaltungsgebäudes untergebracht und nur durch einen kleinen Eingang mit unscheinbarem Schild zu erkennen. Dort hatten wir Glück.

Ich bezahlte den Taxifahrer und entließ ihn. Dann checkten wir ein. Die Zimmer waren eine Art Appartments mit zwei Zweibettzimmern, einem Flur, Bad und Toilette. Die Zimmer gingen nach hinten hinaus und man hatte den Blick über ein Werkstattgelände in Richtung Flughafen. Nachdem die Unterbringung gesichert war, gingen die Jungs nochmal eine Runde raus (an einen Kiosk, den sie da gesehen hatten) und Regina und ich duschten und schauten dann ein wenig einen deutschsprachigen Fernsehsender, den wir beim Zappen entdeckt hatten.

Baikal-Epilog: Kometa

17.08.05 6:30 Uhr: Die Nacht war etwas kürzer, aber wir waren alle munter und fanden uns pünktlich zum Frühstück ein. Die restlichen Sachen wurden noch gepackt. Gut, dass man bei Sascha zur Morgenwäsche auch in die Banja ausweichen konnte, wo es eine Toilette und warmes Wasser gab, denn bei 11 Personen, die etwa gleichzeitig ins Bad wollen, wird es zwangsläufig eng.

Der Morgen war frisch aber es würde wohl sonnig werden. Die Gruppe sollte mit dem SchTEO-Bus zum Hafen gefahren werden, doch zuerst fuhr Mariasow mit seinem Lada vor. Er schlug vor, mit mir zum Hafen voraus zu fahren - eben wegen des Tumults beim Einsteigen, von dem er bereits am Vorabend gesprochen hatte. Er meinte, ich würde am Anleger schon mal einen vorderen Platz einnehmen, damit nichts schief geht. Ich verabschiedete mich also von Sascha und Nadja, während die anderen ihre Rucksäcke im Hof aneinander stellten und fuhr mit Ewgenij Aleksandrowitsch los.

Matzes Blick schweift in die Ferne. Hinter ihm bleibt Sewerobaikalsk zurück und rechts im Bild entschwindet Nishneangarsk.Matzes Blick schweift in die Ferne. Hinter ihm bleibt Sewerobaikalsk zurück und rechts im Bild entschwindet Nishneangarsk.Beim Blick in Fahrtrichtung sah man nur den offenen Baikal und rechts die Gebirgszüge der Westküste - der Baikalskij Chrebet.Beim Blick in Fahrtrichtung sah man nur den offenen Baikal und rechts die Gebirgszüge der Westküste - der Baikalskij Chrebet.Ein Bild vom mittleren Passagierraum, in welchem wir saßen: Florian möge mir verzeihen, dass ich ihn mit vollen Backen erwischt habe, nachdem er herzhaft in sein Brötchen gebissen hatte.
Ein Bild vom mittleren Passagierraum, in welchem wir saßen: Florian möge mir verzeihen, dass ich ihn mit vollen Backen erwischt habe, nachdem er herzhaft in sein Brötchen gebissen hatte.
Am Hafen angelangt, verstand ich, was er meinte. Am Pier hatte sich bereits eine Menschentraube gebildet - keine geordnete Schlange. Dabei war die Kometa noch nicht in Sicht. Ich stellte mich also bei der Traube hinzu. Mariasow erklärte mir, dass erst die Passagiere mit Tickets an Bord dürfen. Danach würde der Steward die leeren Plätze zählen und diese Anzahl an den Rest der Leute die noch keine Fahrkarten haben, verkaufen. Das Problem sei nur manchmal, trotz vorhandener Tickets durch die Menschentraube zum Steward zu gelangen, meinte Mariasow.

Wenig später sah ich den SchTEO-Bus einrollen und die Gruppe kam mit Rucksäcken bepackt den Pier entlang getippelt. In der Menschentraube erkannte ich auch weitere bekannte Gesichter. Die Irkutsker Truppe, die in der Ajaja-Bucht in den letzten Tagen in unserer Nähe kampierte, war auch dabei.

Irgend jemand rief: "Die Kometa kommt!". Tatsächlich, in der Morgensonne sah man ein Gleißen auf dem Wasser - die Gischtspur der Kometa glitzerte im Morgenrot und kam sehr schnell näher. Nach ihrer Abfahrt in Nishneangarsk kam sie nach etwa einer halben Stunde im Hafen von Sewerobaikalsk an. Leider hatte ich dabei nicht ans Fotografieren gedacht. Helmut war mit der Kamera schneller bei der Hand und erwischte die einlaufende Kometa. Sein kompletter Beitrag zur Kometafahrt (gut illustriert) ist in seinem Eurasia-Blog zu finden.

Nachdem die Kometa angelegt hatte ging es dann doch geordneter zu, als man gedacht hätte. Der Steward rief mehrfach Passagiere mit reservierten Plätzen (also Fahrkarten aus dem Vorverkauf) auf und die Menschentraube ließ solche auch problemlos durch. Wir verabschiedeten uns kurz von Ewgenij Aleksandrowitsch und gingen an Bord. Die Rucksäcke wurden in verschiedenen Ecken gestapelt und die Plätze eingenommen und bald schon ging es los.

Blick von meinem Platz nach vorn zum Durchgang in den vorderen Passagierraum.Blick von meinem Platz nach vorn zum Durchgang in den vorderen Passagierraum.Oliver auf der Raucherplattform (Oder Fotografenlounge?). Nach 150 km weicht die Taiga schon dem Steppenland.Oliver auf der Raucherplattform (Oder Fotografenlounge?). Nach 150 km weicht die Taiga schon dem Steppenland.Genug vom Gucken - Matze und Johannes halten Mittagsschläfchen.
Genug vom Gucken - Matze und Johannes halten Mittagsschläfchen.
Die Kometa war innen, wie ein Passagierjet bestuhlt, nur etwas großzügiger mit mehr Beinfreiheit, dafür aber auch etwas abgenutzter. Es gab drei Passagierräume dieser Art, einer im Vorderschiff mit Panoramablick nach vorn durch eine große verglaste Front, einer im mittleren Bereich, wo auch wir saßen und einen im Achterschiff, wo es auch einen Kiosk gab. Zwischen diesen Passagierräumen gab es Ausgänge zu kleinen offenen Decksplattformen, wo sich die Raucher und Fotografierwütigen trafen. Am Heck gab es auch eine kleine offene Plattform, die etwas windgeschützter war - immerhin fuhr die Kometa mit 50-60 km/h über den Baikal.

Die Kometa hielt sich während der gesamten Fahrt nahe der Westküste. So passierten wir als erstes Baikalskoje, wenig später das Kap Kotelnikowskij und glitten langsam an der Silhouette des Baikalskij Gebirgszuges entlang. Der Ausblick war atemberaubend und das viele Stunden lang. Irgendwann war man gesättigt davon und gab sich einem Schläfchen hin.

Ausser Schlafen und Rausgucken war natürlich auch Essen und Trinken angesagt. Wir hatten zwar alles dabei, aber im Achterschiff gab es auch einen Kiosk, der gut gefragt war. Die zwei Toiletten zwischen Mittel- und Achterschiff waren allerdings etwas wenig für die Anzahl an Passagieren und bildeten öfter einen Engpass.

Man kann sich leicht ausrechnen, wie lange die Fahrt dauern würde. Trotz flotter 50-60 km/h würden wir bis Irkutsk 12 Stunden fahren, wenn man die Halts auf Olchon und Port Baikal berücksichtigt - eine lange Fahrt.

Die heilige Nase erreichen wir nach etwa 3 Stunden. Leider sind wir zu weit von der Ostküste entfernt, um diese eindrucksvolle Halbinsel in ihrer Pracht wahrzunehmen. Auch die Ushkani-Inseln können wir nur erahnen.

Nach 6 Stunden ereichen wir das Nordende von Olchon und fahren zwischen Olchon und der Westküste ins Maloe Morje, das kleine Meer ein.

Baikal-Epilog: Abschied in Saretschnoje

16.08.05 8:00 Uhr: Eine weitere erholsame Nacht in Saschas weichen Betten liegt hinter uns. Das Frühstück - etwas variiert, aber ähnlich wie das Gestrige war wieder schmackhaft und reichlich, so dass man sich fast wieder hinlegen wollte, so satt war man danach. Aber letztlich blieben alle konsequent bei ihren Plänen, wieder nach Sewerobaikalsk zu fahren und den Tag dort irgendwie zu verbringen.

Da heute unser letzter Abend sein würde, planten wir eine kleine Abschiedsfeier in Saschas Haus, wozu wir die russischen Freunde einluden. Bis auf Nadja, die ja bereits nach Irkutsk abgereist war, würden alle kommen. Sascha und Nadja (die Wirtin) schlugen vor, Plow zu machen - dass würde für eine große Truppe wie wir genau das Richtige sein. Es gab aber auch einen anderen Anlass zum Feiern - Franziskas Geburtstag. Sie nahm diese Gelegenheit war, den Anteil der Kosten an der Feier für die russischen Freunde zu übernehmen und den Wein zu spendieren. So würde am Abend also ein Geburtstag und ein Abschied zu feiern sein.

Matze und Johannes waren wieder ausgiebig im Internetcafe und trafen sich später noch mit Ljuba. Mit ihr und mit Franziska gingen sie auch zum Stadtstrand. Die Gruppe um Oliver, Helmut und dessen neue Reisegefährten hatten ähnliches unternommen. Aber alle trudelten beizeiten wieder in Saschas Pension "Sadko" in Saretschnoje ein.

Kasim bereitet den Plow traditionell usbekisch auf offenem Feuer zu.Kasim bereitet den Plow traditionell usbekisch auf offenem Feuer zu.Blick in Saschas Garten - In dem hübschen Pavillon steht Matze.Blick in Saschas Garten - In dem hübschen Pavillon steht Matze.Blick auf die Loggia, in der Oliver, Helmut und Florian (einer von Helmuts neuen Eurasia-Mitreisenden) wohnten.
Blick auf die Loggia, in der Oliver, Helmut und Florian (einer von Helmuts neuen Eurasia-Mitreisenden) wohnten.
Dort stellte Sascha uns Kasim vor, einen Freund des Hauses, der aus Usbekistan stammte und wie uns Sascha offenbarte, den Plow (in anderen Turksprachen auch Pilaw genannt) auf traditionelle usbekische Art bereiten würde. Die Vorbereitungen dazu liefen bereits. Dazu hatten sie im Hof ein offenes Feuer gemacht und es mit ein paar Ziegeln eingefasst. Darauf platzierte Kasim eine große, gusseiserne, wok-ähnliche Pfanne, die er Kassam nannte. Als erstes briet er in etwa einem Liter Pflanzenöl geschnittene Zwiebeln aus, die er danach wieder rausnahm und entsorgte. Dies sei nur zum aromatisieren des Öls, erklärte er. Dann gab er verschiedene Zutaten (Fleisch, Gemüse) hinzu und würzte und briet sie. Schließlich kamen Reis und Wasser hinzu.

Die Prozedur der Zubereitung währte recht lange und Sascha kredenzte zwischenzeitlich immer mal einen Wodka - auch für Matze und Johannes, so dass ich irgendwann mal sagte, es reicht für die beiden. Johannes legte sich schließlich bis zum Abendbrot noch etwas aufs Ohr.

Da war noch eine Sache mit den Tickets für die Kometa (das Tragflächenboot nach Irkutsk), welche am nächsten Morgen gehen würde. Um sicherzustellen, dass wir Plätze bekommen, haben wir in Irkutsk auf Olivers Namen die Tickets kaufen lassen. Dies wurde vom Hotel, welches Oliver in Irkutsk gebucht hatte, gegen einen Aufpreis organisiert. Diese Tickets wurden dem Kapitän übergeben und sollten uns direkt am Pier ausgehändigt werden. Evgenij Aleksandrowitsch Mariasow meinte jedoch, dass am Morgen am Pier im Sewerobaikalsk der Teufel los sei und es besser sei, die Tickets bereits am Abend entgegen zu nehmen, wenn die Kometa von Irkutsk kommend in Nishneangarsk angelegt hat, wo sie über Nacht liegen würde. Dazu wollte er mich am Abend mit dem Auto abholen, um (die ca. 25 km) nach Nishneangarsk zu fahren.

Doch erst einmal begann unsere Feier. Die russischen Freunde trudelten ein. Und bald fanden sich alle in Saschas Wohnzimmer wieder, wo der Plow serviert wurde. Wir feierten ausgelassen. Aber ich musste schließlich vorzeitig weg, um mit Mariasow wegen der Kometa-Tickets nach Nishneangarsk zu fahren.

Abschlussfeier in Saschas plüschig-gemütlichen Wohnzimmer. Leider musste ich die Feier vorzeitig verlassen, um mit Mariasow wegen der Kometa-Tickets nach Nishneangarsk zu fahren.
Abschlussfeier in Saschas plüschig-gemütlichen Wohnzimmer. Leider musste ich die Feier vorzeitig verlassen, um mit Mariasow wegen der Kometa-Tickets nach Nishneangarsk zu fahren.
Mariasow fuhr einen älteren Lada. Von Saretschnoje ging es erstmal nach Sewerobaikalsk, wo er tankte. Dann fuhren wir weiter nach Nishneangarsk. Es dämmerte bereits. In Nishneangarsk fuhr er direkt ans Pier. Von dort kommend begegneten uns einige Männer. "Da ist der Kapitän, ich erkenne ihn" sagte Mariasow, bremste und sprach ihn an. Der sagte uns, wir mögen zum Schiff gehen und uns an den Steward wenden, er hätte Tickets, die ihnen in Irkutsk übergeben worden seien. Also fuhren wir bis ans Ende des Piers, wo die Kometa lag und gingen zögerlich an Bord. Dort wischte gerade eine Frau den Fussboden und ein Mann wirtschaftete herum. Wir sprachen sie an und erklärten unser Anliegen, während er mit skeptischem Blick zuhörte. Als ich schließlich Oliver Nachnamen nannte, hellte sich sich Blick auf. "Ah, genau der Name steht auf dem Umschlag - hier ist er". Damit übergab er mir die Tickets.

Nachdem wir das Schiff wieder verlassen hatten, trat Evgenij Aleksandrowitsch nachdenklich an die andere Seite der Mole, wo ein ordentlicher Wellengang vom offenen Baikal her anstürmte. "Hoffentlich verstärkt sich das nicht", sagte er, "lass uns zum Baikal beten...". Damit wandte er sich stumm zum offenen Baikal und verharrte ein, zwei Minuten. Dann kramte er in der Tasche und warf eine kleine Münze in die Wellen. Ich tat es ihm gleich. Er nickte und wir gingen zum Auto. Der Rückweg verlief bereits in völliger Dunkelheit und als er mich in Saretschnoje absetzte, war unsere Feier gerade auch zu Ende gegangen. Da wir am nächsten Morgen früh raus mussten begaben wir uns zu Bett. Die Rucksäcke waren bereits gepackt.

Sascha und Kasim allerdings machten sich noch einen ausgelassenen Abend in der Banja und tranken dabei ordentlich Wodka.

Baikal-Epilog: Sewerobaikalsk

15.08.05 8:00 Uhr: Die Nacht in den gemütlichen Zimmern und weichen Betten hatten wir nach den Wochen in der Wildnis natürlich paradiesisch empfunden und so waren wir nach dem Aufstehen bester Stimmung. Das Frühstück war auch wieder großartig und opulent, mit Spiegeleiern, Bliny mit Varenje (Pfannkuchen mit selbstgemachter Marmelade) und Brot mit Aufschnitt.

Johannes hatte allerdings etwas Bauchschmerzen und fühlte sich etwas unwohl. Vom vielen Essen am Vorabend, wie er meinte - aber vielleicht war auch der reichliche Vodka zum Abendbrot Schuld daran. Allerdings hatte er am Tag vor der Abreise aus der Ajaja-Bucht auch schon Übelkeitssymptome. Daher legte er sich nach dem Frühstück noch mal hin, während wir im Garten die beiden Zelte aufstellten, damit sie nochmal richtig abtrocknen konnten. Nadja stellte gegen einen kleinen Extra-Obulus ihre Waschmaschine zur Verfügung und fast jeder nutzte die Gelegenheit, ein paar Sachen zu waschen.

Eine Straße im alten Barackenviertel der BAM-Erbauer, wo sich auch das SchTEO befindet.Eine Straße im alten Barackenviertel der BAM-Erbauer, wo sich auch das SchTEO befindet.Hinter dem Bahnhof gehts über eine Fusgängerbrücke, die die Gleise übespannt, weiter in Richtung Stadtstrand.Hinter dem Bahnhof gehts über eine Fusgängerbrücke, die die Gleise übespannt, weiter in Richtung Stadtstrand.Der Stadtstrand von Sewerobaikalsk - allerdings war dies wahrlich kein Badetag.
Der Stadtstrand von Sewerobaikalsk - allerdings war dies wahrlich kein Badetag.
Irgendwann am späten Vormittag traf dann einer nach dem anderen im SchTEO ein. Dort trafen wir Aljona und die russischen Campteilnehmer wieder. Für den GBT füllten wir Fragebögen aus, auf denen wir unser Camp bewerteten. Nebenbei unterhielten wir uns über dies und jenes und es verflog die Zeit. Schließlich verabschiedete sich einer nach dem anderen und wir machten uns in verschiedenen Gruppen auf ins Stadtzentrum. Es gab verschiedene Dinge zu erledigen, wie Essen, Einkaufen, Geld tauschen und das Internetcafe aufsuchen, was man in Zentrum von Sewerobaikalsk alles in einem Radius von 5 Weg-Minuten erledigen konnte.

Die Jugend blieb noch eine ganze Weile im Internet-Cafe und gind anschließend nochmal in ein richtiges Cafe, während Regina und Ich zum Stadtstrand spazierten. Das war ein Fußmarsch von 15-20 Minuten - erst zum Bahnhof, dann über die Fußgängerbrücke, die die Gleise überspannt und schließlich noch ein Stück durch einen Waldstreifen bis ans Ufer. Dieser Tag war wahrlich kein Badetag. Daher schlenderten wir am Ufer entlang in Richtung Hafen und kehrten nach einigen hundert Metern wieder um.

Nachdem wir zurück zum zentralen Platz geschlendert waren, stiegen wir in ein Marschroutentaxi (eine Kleinbus, der eine festgelegte Strecke fährt und bei Bedarf, wie ein Taxi angewunken werden kann - die Fahrt kostete im Stadtbereich 8 Rubel). Es war inzwischen später Nachmittag und auf uns wartete, wie bereits am Tag zuvor Saschas Sauna.

Johannes und Matze im Tauchbecken - die Linse des Fotoapparates beschlägt bereits.Johannes und Matze im Tauchbecken - die Linse des Fotoapparates beschlägt bereits.Oliver und Ich im Relax-Raum der Sauna - Bald kommt der Vertreter für Baikal-Duftöle.Oliver und Ich im Relax-Raum der Sauna - Bald kommt der Vertreter für Baikal-Duftöle.Nach dem letzten Saunagang gönne ich mir ein Bier.
Nach dem letzten Saunagang gönne ich mir ein Bier.
In der Sauna hielten wir uns bestimmt einige Stunden auf. Neben der Sauna, die nach allen Regeln der Kunst als russische Banja angelegt war und dem obligatorischen Waschbereich und Tauchbecken gab es noch einen Aufenthaltsraum, der mit Kunstvollen Holzschnitzereien verziert war. Dort gönnte ich mir nach den Saunagängen noch ein Bierchen.

Während wir noch in der Sauna waren, stellte sich Besuch ein, ein von Aljona vermittelter - ja nennen wir ihn mal so: freischaffender Düfte-Hersteller, der aus einheimischen Pflanzen ätherische Öle in Handarbeit herstellt. Da vor allem die Frauen, Franziska und Regina daran Interesse hatten kam er nun und präsentierte seine Öle. Aufgrund des knappen Timings einigten wir uns darauf, dies im Ruheraum von Saschas Sauna zu machen. Doch schließlich meinten auch einige der Jungs, dass so eine Ampulle Original-Öl aus der Baikalregion, von Hand gewonnen, ein schönes Souvenir sei und kauften ebenfalls etwas. Es gab zu jedem Fläschchen auch eine Art Beipackzettel mit entsprechenden Verwendungstipps.

Schließlich rief und Wirtin Nadja voller Ungeduld zum Abendbrot, da sie wieder Warmes zubereitet hatte, was kalt zu werden drohte.

Es wäre noch zu erwähnen, dass weitere vier junge Leute zu uns gestoßen waren (ich weiß leider nicht mehr genau, ob an diesem Tag oder bereits am Tag zuvor), welche mit Helmut eine große Eurasien-Reise antreten wollten, die im wesentlichen per Zug bis Schanghai und über Zentralasien zurück nach Europa führen sollte. Diese Reise war ein Planungs-Genie-Streich von Helmut und den Link zu seiner großen Eurasia-Tour möchte ich niemandem vorenthalten.

Regina und Ich hatten für heute genug und begaben uns langsam zur Ruhe, während Matthias und Johannes sich nochmal mit den Sewerobaikalsker Freunden trafen um Nadja und Semjon (Aljonas jüngerer Bruder) zum Zug nach Irkutsk zu begleiten.