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Manolis und die Monotonie Mittelsibiriens

Die Zugnummer in einem Fenster unseres Waggons.Die Zugnummer in einem Fenster unseres Waggons.Matthias und Johannes schauen aus dem Fenster ihres Abteils.Matthias und Johannes schauen aus dem Fenster ihres Abteils.Omsk erreichten wir am Vormittag und rollten über den Irtysch.
Omsk erreichten wir am Vormittag und rollten über den Irtysch.
21.08.05: Die Erinnerung an diesen Tag ist nicht mehr wirklich abrufbar - ein Nachteil, wenn man nicht zeitnah ein Tagebuch führt. Nach so langer Zeit ist ein stereotyper Tag im Zug im Gedächtnis kaum haften geblieben. Gut, dass Johannes Tagebuch geführt hat und ich die Gelegenheit habe, seine Sicht der Ereignisse zur Auffrischung zu verwenden.

Dennoch kann nicht wirklich von Ereignissen die Rede sein. Aus Johannes Tagebuch entnehme ich, dass er nicht schlafen konnte und sich daher aus dem Abteil in den Gang verdrückt hatte. Nadja (aus seinem Abteil) ging es scheinbar ebenso und so gesellte sie sich hinzu. Trotz des Sprachproblems vertrieben sie sich die Zeit mit Konversation. Nach Mitternacht rollte der Zug in Novosibirsk ein, wo er über eine halbe Stunde hielt. Diesen Halt nutzten sie zu einem Nachtspaziergang auf dem Bahnsteig.

Während der Morgen graute, rollten wir irgendwo zwischen Novosibirsk und Omsk durch die Mittelsibirische Ebene.
Ich musste an die alte sorbische Sage denken, der zufolge einst der liebe Gott mit seinem himmlischen Pferdegespann und einem riesigen Pflug den Lauf der Spree durch die Landschaft zog. Aber am Spreewald angelangt lauerte ihm der Teufel auf und erlaubte sich einen üblen Scherz, indem er die Pferde erschreckte. Diese scheuten und gingen durch. Dabei wurde der Pflug kreuz und quer durch den Spreewald gerissen und nur mit Mühe gelang es dem lieben Gott, die Pferde wieder zu beruhigen und gemächlich weiter nach Norden zu führen. Die unzähligen Furchen und Gräben aber, die der Pflug hinterlassen hatte, füllten sich mit dem Wasser der Spree und bilden heute die Kanäle des Spreewaldes.
Wenn Gott also mit einem gewaltigen Pflug Flussbetten schuf, so musste er hier, in Westsibirien wohl mit einer gewaltigen Maurerkelle die Landschaft hunderte Kilometer weit glattgestrichen haben.

Diese Monotonie außerhalb des Fensters würde uns also den ganzen Tag begleiten.

Manolis

Anders war es innerhalb des Waggons. Denn da hielt uns ein kleiner Junge auf Trab. Er reiste mit seiner Mutter, ich weis nicht mehr, wohin. Manolis war das Kind einer Russin und eines griechischstämmigen Amerikaners. Dieser war aber nicht mit dabei. Manolis Mutter war mit ihrem Söhnchen allein unterwegs - auf Verwandtenbesuch in Russland.
Nun war Manolis ein Energiebündel und hielt alle in Bewegung, mit denen er sich zuvor angefreundet hatte, so auch unser Abteil und das Abteil von Johannes und Matze. Manolis wurde von seiner Mutter Manolik gerufen - sozusagen eine russische Koseform. Manolis kauderwelschte auf Russisch-Englisch-Griechisch durcheinander und war mitunter wegen seines nicht versiegenden Bewegungsdranges auch anstrengend. Zumindest vertrieb er uns an diesem Tag eine Menge Zeit.

Die Landschaft blieb auch hinter Omsk eintönig und würde es bis Tjumen bleiben. Dort würden wir am späten Nachmittag ankommen. Nadja aus dem Abteil der Jungs bereitete sich auch schon vor, auszusteigen und packte einiges zusammen. Ihr Ziel war Jekaterinburg an der Ostseite des Ural, welches wir nach Moskauer Zeit am späten Abend, aber nach Ortszeit erst gegen Mitternacht errreichen würden.